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3000 Euro, wenn die Freiheit kommt

time-cover

Robert Lam ist Fotograf in den USA. Als er vor eineinhalb Wochen das Time Magazines sah, freute er sich ganz besonders: Die ehrwürdige Publikation wählte eines seiner Fotos, die er bei iStockPhoto anbot, für das Cover aus.

Bei iStock bietet er 233 Fotos an, das Münzglas wurde bis dato fünfmal gekauft. Umsatz damit: geschätzte 50 bis 150 Dollar — vor Abzug der Kosten, Bezahlung von Steuern, Sozialversicherung etc.

Das Time Magazin bezahlte für das Foto übrigens 150 Dollar (Extended License), nach Abzug der Spesen bekam Lam für sein Bild 30 Dollar. Gar nichts, wenn man bedenkt, dass Fotografen für ein Foto am Time-Cover auch 3000 bis 10.000 Dollar bekommen.

Dementsprechend gereizt ist die Kollegenschaft. Lam wird in Online-Foren gar nicht sanft angepackt und nach der Debatte über das “Ende des Journalismus” haben Amerikas Medientheoretiker die nächste Diskussion:

Time’s $30 Cover Photo: The Scary Realities of Supply and Demand.

Das Angebot senkt die Preise

Die Angebotsseite bekam gewaltig Übergewicht. Die digitale Revolution und immer bessere Kameras bringen es mit sich, dass jeder, der eine Ixus halten kann, auch brauchbare Bilder für die Zeitung knipsen kann. Das Angebot an kommerziell verwertbaren Bildern (Wikimedia Commons, Creative Commons oder Public Domain Bilderquellen) wird mit jeder Sekunde umfassender und nicht zuletzt beweisen sogar Verlage (selten aber doch), dass sie Bilder klauen können.

Die Nachfrageseite blieb dagegen annähernd konstant.

Österreich als Gewerbe-Albanien

Die Diskussion mag zwar neu sein, die Thematik ist an sich ist es aber ganz und gar nicht. Zum Glück, möchte mancher Fotograf in Österreich meinen, ist die Diskussion hier überflüssig. Die Alpenrepublik ist das Fotografie-Albanien dieser Welt. In keinem anderen Land der Welt gibt es einen so gewaltigen Schutz vor Konkurrenz wie hierzulande.

Um das Handwerk des Berufsfotografen ausüben zu dürfen, sieht die Gewerbeordnung (GewO) strenge Zugangskriterien vor. Wer meint, dieser Ananchronismus hätte sich längst überlebt, irrt. Erst im vergangenen November wurde die Gewerbeordnung für die Bildablichter “novelliert”. Die Änderungen waren gravierend. So wurde etwa die Wortfolge “Gewerbe des Fotografen” durch die Wortfolge “Handwerk des Berufsfotografen” ersetzt.

Fotografen sind Modernisierungs- und Digitalisierungsverlierer par excellence. Einziger Zweck einer solchen — wie gesagt: einzigartigen — Gewerbeordnung ist es, Wettbewerb mit allen Mitteln zu verhindern.

Doch es gibt mehrere Abstufungen von Fotografen. Am unteren Ende sind etwa die Pressefotografen — ein freies Gewerbe. Dieser darf jedoch nur ganz wenig Dinge — etwa von einer Redaktion zu einem Termin geschickt werden. Fotos am Weg dorthin darf er ebenso wenig zu Geld machen wie just am Ort selbst geschossene Fotos. Warum? Weil sie lediglich zeitnah zum eigentlichen Event verwertet werden dürfen.

Schon 1996 (ein Jahr nach unserem EU-Beitritt) schrieb Christa Dertnig im Wirtschaftsblatt:

Jede noch so gelungene Aufnahme des Bundeskanzlers oder eines rasanten Formel-1 Boliden ziert als Titelseite von Wochenmagazinen tagelang das Straßenbild. Der Pressefotograf darf die Fotos aber weder dem Politiker als Paßfoto noch dem Autohersteller als perfekten Schnappschuß für die Werbung verkaufen – da ist in Österreich die Gewerbeordnung vor. Ganze Kabarattprogramme ließen sich mit solch absurden Beispielen füllen.

Enormer Schaden der Blockade

Verlierer sind wir alle: Österreichs Volkswirtschaft, einzelne Bürger, aber auch die Fotografen selbst – und das nicht trotz sondern gerade wegen ihres Mauerns:

  • Pfusch & Spitzelwesen: Fast kein Pressefotograf, den ich kenne, verdient mit seinem Gewerbe genug, um davon zu leben. Was machen einige? Sie pfuschen und fotografieren trotz ihrer eingeschränkten Gewerbeberechtigung auf Hochzeiten, lassen sich von Unternehmen für Werbefotos engagieren oder verkaufen Fotos auf Stock-Seiten.
    Auch so mancher “Teilfotograf” bietet Dienste an, die er nicht dürfte. Etwa Hochzeitsfotos. Weil das einigen ein Dorn im Auge ist, gibt es Kontrollanrufe und bisweilen sollen sogar “Kollegen” bei diversen Trauungen vorbei schauen, um zu wissen, wer wo welche Fotos macht.
  • Angebot und Nachfrage verhalten sich in Österreich nicht viel anders als im Rest der Welt. Auch hier werden immer bessere Kameras verkauft, auch hier fotografieren ambitionierte Hobbyfotografen so gut, dass so mancher Profi sich verstecken kann. Deren Motivation ist um ein Vielfaches höher, sie haben — ganz im Gegensatz zu vielen Profis — Spaß am Fotografieren.

  • Verlage sparen und stellen entweder Fotografen an oder bedienen sich auf Stock-Seiten. Ein kleiner Preisvergleich. So um die 30 bis 50 Euro kosten Fotos für Tageszeitungen. Eigentlich schon ein Witz, wenn man damit eine Familie ernähren will. Aber es kommt noch dicker:
  • Stock-Preise fallen und fallen: Im Vergleich zu den bisher bezahlten Preisen ist das Angebot auf iStockPhoto ein wahres Schnäppchen. Unter 500.000 Stück Auflage bezahlt man nur rund zehn Euro für druckfähige Bilder. Bei Fotolia ist man bereits ab drei Euro dabei. Und im Abo bekommt man täglich 25 Fotos für monatlich 208 Euro.
  • Schaden für Österreichs Volkswirtschaft: Weil nur Vollfotografen Stock verkaufen dürfen (und die in der Regel keinen Tau haben, dass es so etwas gibt), machen Ausländer dieses Geschäft zu nahezu 100 Prozent.
    Gerade in Krisenzeiten sollte man Gewerbeöffnen und so viel unternehmerisches Handeln ermutigen, wie irgendwie möglich. Doch denkste, es wird gemauert!
  • Innovation behindern: Dass die Fotografen-Gewerbeordnung den Fortschritt behindert, klingt weit hergeholt. Ist es aber nicht. So sieht die Gewerbeordnung vor, dass fast niemand mit Fotos Geld verdienen kann – es sei denn man ist Berufsfotograf. Das gilt für alle alle Fotos und jede Art von Geschäftsmodell. Hier nur drei Beispiele, die mir auf die Schnelle eingefallen sind.
     

    • Wie wäre es etwa mit einer Website, die anhand selbst geschossener Fotos zeigt wie schön Österreich ist und Google Ads drauf hat. Geht nicht, kommerziell.
    • Oder wie wäre es mit einem Dienst, der einem bei der GPS-Navigation mit Hilfe von Fotos unterstützt? Geht nicht, es sei denn man verschenkt das gesamte Produkt.
    • Oder Google Maps? Wenn der Suchmaschinenanbieter einen österreichischen Fotografen findet, der ihm die Gewerbeberechtigung überschreibt, darf Google Streetview anbieten. Wenn nicht, eben nicht. Auch ein Klagenfurter Webstartup soll Probleme mit der Stahlhelm-Fraktion der Fotografen-Innung gehabt haben.
  • Trägheit mangels Wettbewerb: Wie viele Profifotografen sind noch am Neuesten Stand der Technik und haben zeitgemäße Workflows? Ich würde schätzen nicht einmal ein Drittel. Warum es gerade in dieser Branche dazu kommen konnte ist auch klar: Mangels Wettbewerb durch die Gewerbeordnung war dies gar nicht nötig.
  • Nachwuchs: Auch hierzulande ist es immer seltener, dass Fotografen Lehrlinge ausbilden. Daher könnte es irgendwann zu einem Engpass kommen. Gewollt oder nicht …
  • Ungenutzte Chancen: Diesen Eintrag wollte ich schon seit sehr langer Zeit los werden. Drauf gebracht hat mich heute die aktuelle Episode des Foto-Podcasts “This Week in Photography”. Darin ging es eben um das erwähnte Bild von Robert Lam und die Konsequenzen für die Fotografen.
    Einer der Profis, Scott Bourne, erzählte von seinem — ganz pragmantischen — Zugang zum Problem: “Ich bilde die jungen Leute aus, anstatt mich mit ihnen zu konkurrieren.” Auch eine Idee, wenngleich ich keinen Profi-Fotografen persönlich kenne, der bezahlte Kurse für Hobby-Fotografen anbietet.

  • Gleichstellung mit EU-Bürgern: Wie bereits erwähnt, ist Österreich eines der wenigen Länder, wenn nicht das letzte Land der Welt, indem es nicht erlaubt ist, für Geld den Auslöser zu drücken. Deutsche Fotografen in Österreich sind im Vorteil. Widerspricht das dem Gleichheitsgrundsatz?

Begründung? Da lachen ja die Hühner!

Die Zugangsbeschränkung sei zum Schutze des Konsumenten da, wird begründet. Der soll doch nicht etwa drauf zahlen, wenn er schlechte Qualität bekommt. Man stelle sich vor: Ein Profi-Fotograf würde schlechte Bilder einer Hochzeit machen. Der schönste Tag im Leben wäre ruiniert!

Abgesehen davon, dass das sicher noch NIE passiert ist, gibt es auch Reputation, Online- oder Freundes-Empfehlungen und Porfolios, anhand derer man die Qualität einer jeden Dienstleistung beurteilen kann. Zudem wäre eine “Geld-Zurück-Garantie bei Nicht-Gefallen” mehr im Sinne des Konsumenten als ein Reglementieren des Zugangs.

Welche Notwendigkeit dieser Protektionismus heute noch hat, konnte mir auch die Wirtschaftskammer nicht erklären. E-Mails mit entsprechenden Anfragen an die Innung blieben stets unbeantwortet. In endlosen Threads diskutieren Hobby-Fotografen mit der Mauer-Fraktion in diversen Foren.

Ändern wird sich nichts. Warum? Weil diejenigen einer Öffnung zustimmen müssen, die geschützt werden müssen. Und laut jammern auch diejenigen, die durch ein Schlupfloch überhaupt zum Gewerbe kamen. Vor ein paar Jahren war es gängige Praxis einiger Pfuscher, jedes Jahr bei der Kammer eine Selbstanzeige zu erstatten. Dafür bezahlte man zwar eine Strafe, konnte so aber über die Jahre seine Praxis nachweisen.

Georgs Bruch der Gewerbeordnung

Ich würde mich nicht als guten Fotografen bezeichnen, aber doch als ambitionierten Hobbyisten. Ich bin zwar weder gut, noch perfekt, aber ich ich fotografiere für mein Leben gerne. Und viel. Ich bilde mir ein, ein wenig besser geworden zu sein.

Wer will, kann sich jederzeit von der (hoffentlich immer besser werdenden) Qualität meiner Fotos auf Flickr ein Bild machen: www.flickr.com/photos/georgholzer

Und ja: Auch ich habe schon (ohne Gewerbeschein) Geld mit Fotos verdient. Als Journalist darf man Fotos zu eigenen Geschichten machen. Und einmal habe ich gegen das Gewerberecht verstoßen und ein Foto verkauft.

Panorama - Ring of Kerry, Beach

Eine irische Mineralwasserfirma bot mir 300 Euro (Steuer und Sozialversicherung habe ich bezahlt) für das obenstehendes Panorama an. Darin platzierte sie dann eine Frau und machte ein Video draus. Gesehen habe ich es nie, eine Videokassette liegt hier noch irgendwo rum.

Gemacht habe ich dieses Foto übrigens mit einer Canon Ixus 300 — und hier liegt auch noch ein weiteres (leise ausgesprochenes) Argument der Fotografen-Innung begraben. Der Zugang zum Gewerbe müsse beschränkt sein, um die Investitionen der Fotografen zu schützen. Ein “Argument”, das hinten und vorne nicht stimmt, denn

  • auch Geld sollte nie ein Hindernis für unternehmerische Tätigkeit sein und
  • teure Kameras machen nicht zwangsläufig bessere Bilder.

Mein 3000-Euro-Deal

Und obwohl man kein Geld damit verdienen darf, kaufen sich immer mehr Leute immer bessere Spiegelreflex-Kameras. Wozu? Weil sie Freude daran haben. So wie ich. Erst unlängst kam ich unerwartet an einen größeren Auftrag (nichts mit Fotos zu tun) und habe ziemlich aufgerüstet.

Zur Nikon D700 kamen noch ein paar Objektive (14-24 mm f2.8, 24-70 mm f2.8, 105 mm VR Micro f2.8, 70-300 mm VR f3.5-5.6, 50 mm 1.4), ein Blitz, mehrere Taschen und weiteres Zubehör. Ich beklage mich nicht, dass ich das investierte Geld vermutlich nie wieder verdienen werde können. Im Gegenteil, ich habe Freude an dem Zeugs.

Allerdings nehme ich schon jetzt Aufträge für den Tag entgegen, wenn der Fotograf ein freies Gewerbe wird. Billig hab ich’s noch nie gemacht. 3000 Euro wird man für die Tagespauschale schon hinlegen müssen. Im Jahr 2050 eine wahre Okkasion und bis dahin habe ich noch sehr viel Zeit, besser zu werden. Wer bucht mich für den ersten Auftrag?

Hitparade und Überfluss

Ich hatte immer Probleme in der Schule. Nein, ich war kein allzu schlechter Schüler, aber motivierend empfand ich das System zu keiner Zeit. Bewertungen waren extrem punktuell, wenn man zweimal im Jahr in einem Fach voll für eine Schularbeit lernte, war es das auch schon. Es gab für mich keinerlei Anreize, besser zu sein als die anderen.
Wie ich mir Schule und auch Uni vorstelle? Ich mag es, wenn es eine Art Gesamtperformance gibt. Wenn man herausfinden kann, wie man besser wird. Es muss auch (nicht nur) Wettbewerb geben.

Gäbe es diese Art der Motivation auch in der Blogosphäre, wäre meine Motivation höher, mehr und regelmäßiger zu schreiben. Es müssen Charts her – allerdings für Österreich. Bei den Deutschen (deutscheblogcharts.de bzw. der „Piratenversion“ unter deutscheblogcharts.com) habe ich nie und nimmer Chancen. Aber im zehnmal kleineren Österreich wäre das allemal möglich 🙂 Weil ich in dieser Liga noch mitspielen kann, wünsch ich mir sowas!

Ein bisserl Wettbewerb schadet der Blogosphäre überhaupt nicht – im Gegenteil: Weil die Ergebnisse messbar sind, strengen sich vielleicht mehr Leute mehr an und produzieren mehr und bessere Inhalte.

Charts bergen bergen zwar die Gefahr einer Echo-Kammer, bei der immer die gleichen oben auf sind und somit die Großen noch größer werden. Allerdings ist Österreich so klein, dass auch kleine Privatblogs schnell die Top 50 erklimmen können und somit die eine oder andere Perle vor den Vorhang kommt.

Twitter Top 100 - ÖsterreichUm dabei nach vorne zu kommen, muss neben Qualität auch Qantität geboten werden. Nur letzteres misst Horst Gutmann derzeit – bei Twitter. Ich habe ihn vor drei Wochen gefragt, ob es kompliziert sei, österreichische Twitter-Charts (Follower, Following, Updates) zu machen. Scheinbar war es recht einfach, denn am nächsten Tag stand der Prototyp.

Allerdings bleibt dabei zu hoffen, dass die Beiträge relevanter werden. Derweil ist so viel Rauschen im Signal, dass Twitter ab 40 Followern beinahe unbrauchbar ist.
Oder wie seht ihr das? Wie geht ihr mit vielen Followern um?