Ein genialer Marketing-Coup
Medien sind unter Druck. Den Tageszeitungen scheint nicht nur die Wirtschaftskrise zunehmend weh zu tun, sondern auch Content-Piraten. Richtig gehört: Leute, die etwas in einer Zeitung oder News-Website lesen und diese Inhalte dann stehlen.
Dass hier „akuter Handlungsbedarf seitens der Politik“ besteht, hat nun auch der Verband Österreichischer Zeitungsverleger (VÖZ) endlich erkannt!
Es geht darum, dass Inhalte, die von den Medienhäusern verlegerischer Herkunft auf ihren unterschiedlichen Plattformen angeboten werden, vor einer genehmigungslosen Nutzung, welche über die im Urheberrecht klar geregelte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Privatpersonen hinausgeht, zu schützen.
Absolut! Gerade weil bisher schon klar ist, was über eine „geregelte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Privatpersonen“ hinaus geht, brauchen die Verlage neue Regeln.
Und weiter geht’s!
Es muss deutlich gemacht werden, dass jede Vervielfältigung oder Verbreitung solcher Inhalte im unmittelbaren bzw. mittelbaren kommerziellen Zusammenhang rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Warum? Weil es jetzt klarerweise niemandem bekannt ist, dass man Inhalte zur kommerziellen Verwendung nicht stehlen darf.
Der böse Content-Dieb wurde auch schon lokalisiert. Er sitzt natürlich im Internet! Und gegen das böse Internet lässt sich natürlich etwas unternehmen. Eine der drei Forderungen des VÖZ an die Politik lautet daher:
Essenziell ist die gesetzliche Normierung einer klaren Verpflichtung der Internetzugangs-Provider zur zeitlich befristeten Speicherung von Nutzerdaten (Zuordnung von IP-Adressen) und zu deren Herausgabe an den Verletzten bei urheberrechtsverletzender Content-Nutzung. Datenschutz darf nicht als Deckmantel für Rechtsverletzungen missbraucht werden.
Im Ernst?
- Der Besuch einer News-Website heißt nicht zwangsläufig dass dort Inhalte geklaut werden. Was wollt ihr damit beweisen? Und vor allem: wie?
- Der Besuch einer Website mit irgendwelchen News ist längst nicht erforderlich, um Inhalte derselben zu klauen. Leute, es gibt RSS-Feeds und aus JEDER Site (auch solcher mit kastrierten Feeds) kann man Volltext-Feeds machen.
- Jede zusätzliche Beschneidung der Privatsphäre schränkt auch die Möglichkeiten der Arbeit von Journalisten ein. Wenn es die Möglichkeit gibt, zu überprüfen wer wann auf welcher Site gesurft hat, wird das auch genutzt. Das Redaktionsgeheimnis ist damit genauso ausgehöhlt wie der Schutz von Informanten.
- Klar gibt es ein Copyright auf das Geschriebene. Aber: Gibt es tatsächlich ein Copyright auf die eigentliche News? Darf niemand erwähnen, dass X vorgefallen ist?
Und weil Politikerinnen und Politiker ohnehin recht wenig Ahnung vom Internet haben, werden sie dem Wunsch der Verleger wohl nur allzu gerne nachkommen. Der VÖZ beweist damit allerdings eines: seine weltfremde Sicht auf neue Medien. So funktioniert das Web nun einmal nicht und man schadet sich so nur selbst.
Aber vielleicht steckt etwas Größeres dahinter. Ein „Evil Masterplan“ der ganz besonderen Art. Eine jederzeit anzapfbare Vorratsdatenspeicherung wäre ein grandioses Marketing-Instrument. Wenn bekannt ist, wer oft auf der Website XY kostenlos Nachrichten liest, dem könnte man doch auch ein ähnliches (zu bezahlendes) Medium schmackhaft machen …
Update: Könnte! Man beachte den Konjunktiv. Diese Möglichkeit traue ich niemandem wirklich zu. Aber ausgeschlossen ist sie nicht, zumal es Lücken geben kann, auf die dann andere mit weniger redlichen Absichten zugreifen können.