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Larry Lessig, Politik und Transparenz im Web

Kärnten ist einer der lebenswertesten Flecken der Welt. So richtig wohlfühlen kann man sich hier (wie bestimmt auch andernorts) aber nur, wenn man die unglaublich schlechte Politik aller Parteien aus dem eigenen Mindset verdrängt. Ein Freund der täglich mit Politik zu tun hat, meinte einmal: „Ich kann an manchen Tagen gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte“. Treffender könnte man es nicht formulieren.

Mit Begeisterung hörte ich am Mittelcamp eine Präsentation von Antonio Bonanno(Blog) über OpenGov. Die Idee dahinter ist es, ultimative Transparenz in die Politik zu bringen. Der Bürger und Steuerzahler habe schließlich ein Recht,

  • zu erfahren, wie auch noch der letzte Steuercent ausgegeben wird.
  • zu wissen, von welchen Lobby-Gruppen er Geld bekommt und wer Parteien finanziert.
  • auf schonungslose Offenheit seiner Regierung.
  • auf Zugang zu allen öffentlichen Daten. Diese müssen in jedem Detail und in einer leicht zugänglichen Form öffentlich gemacht werden.

Der Grundgedanke hinter OpenGov: „You should be able to know everything that happens in the government.“ Das ist Demokratie! Wer würde damit nicht übereinstimmen?

opengov

Ganz einfach: die Regierenden! Niemand, der an der Macht sitzt, will sich zu sehr in die Karten schauen lassen. Niemand dort hat Interesse daran, dass jemand erfährt, wie sich seine Partei finanziert (wo doch alle Parteienförderungen bis 2012 bei einer Landesbank verpfändet sind – ein Kärntner Sonderfall) oder warum er für welches Gesetz plädiert hat.

Noch sind die Konzepte hinter OpenGov reine Utopie, doch große Ideen sind nie aufzuhalten. Man kann sie höchstens hinaus schieben. Es gibt bereits erste Ansätze, diese Prinzipien umzusetzen: etwa in Skandinavien. Auch in den USA ist man viel weiter als bei uns. Dort muss jeder Politiker angeben, von welchen Interessensgruppen er finanziell unterstützt wird und wie sich sein Wahlkampf finanziert.

Diese Daten werden zwar erhoben, sind allerdings nicht einfach zugänglich. Wer geht schon in ein Amt, um Ordner durchzuackern? Das Web hilft, Transparenz zu schaffen. Hier einige Beispiele, wie solche Zahlen mit Hilfe von Web 2.0 public gemacht werden:

  • www.govtrack.us: Eine Site, wo jeder erfahren kann, wie einzelne Abgeordnete bei Gesetzen gestimmt haben.
  • www.TheyWorkForYou.com: die britische Version davon.
  • www.maplight.org: Die beste Datenbank, wenn es um die Finanzierung von Kampagnen geht. Hier steht nicht nur, wer von wem Geld bekommen hat. Behandelt wird auch, ob es einen Konnex zwischen den Geldgebern und dem Abstimmungsverhalten gab.
  • www.opensecrets.org: Diese Site trägt ebenfalls zusammen, welcher US-Abgeordnete wie viel von wem Geld bekommen hat.
  • www.earmarkwatch.org: US-Abgeordnete bekommen ein Körberlgeld (so genannte „Earmarks“), das sie ohne Kontrolle und ohne Nachfragen in ihrem Wahldistrict ausgeben dürfen. Diese Site kontrolliert diese „Eselsohren“.
  • Österreich & Deutschland: Ich muss zugeben, dass ich hier nichts kenne. Lass mich in den Kommentaren aber gerne eines Besseren belehren.

Diese Bemühungen stehen erst ganz am Anfang. Aber jede Veränderung („Change“ ist das wohl meistge- und auch missbrauchte Wort im aktuellen US-Wahlkampf) steht irgendwann ganz am Anfang.

Warum ich das alles schreibe?
Weil ich mir so etwas auch hierzulande wünsche. Es wird aber schwer sein, solche Sites aufzuziehen, da das einzige „Geschäftsmodell“ dafür (es braucht ja auch Manpower und Infrastruktur) Spenden sind und die Spendenkultur für derartige Projekte in Mitteleuropa nicht existiert.

Lawrence Lessig (cc) Sim Sullen Und es gibt noch einen Grund! Zum ersten Mal überhaupt möchte ich einen Politiker öffentlich unterstützen: Lawrence Lessig, Rechtsprofessor an der Stanford Law School. Lessig wurde als Kämpfer gegen ein allzu striktes Copyright und Gründer von Creative Commons weltbekannt. Nachdem der Silicon Valley-Kongressabgeordnete Tom Lantos kürzlich starb, muss es nun Nachwahlen für seinen Sitz geben.

Binnen kürzester Zeit entstand eine Bewegung, die Lessig im Kongress sehen will. In der entsprechenden Facebook-Gruppe finden sich bereits 2889 Mitglieder.

Er selbst zögert noch, ist dem aber offensichtlich nicht ganz abgeneigt. Anfang 2008 wechselte Lessig seinen Forschungsschwerpunkt und wollte sich fortan mit dem Thema Korruption beschäftigen.

Bis zum 1. März will er sich für oder gegen die Politik entscheiden. Gestern veröffentlichte er auf lessig08.org ein Video, das seine Argumente erläutert:

Zum Video

Solche Politiker wünsche ich mir. Auch, nein speziell, in Kärnten. Nur sehe ich sie nicht …

Mieten vertrieben die Hippies

Und noch ein „E-Mail aus dem Valley“.

San Francisco gilt als Welthauptstadt der Hippies und Schwulen. Die Musik der unzähligen Straßenlokale von Haight-Ashbury prägte Generationen: Janis Joplin wurde hier ebenso groß wie Jefferson Airplane. Später galt das Viertel zwischen dem Finanzdistrikt und den Pacific Heights als Künstler- und Schwulenviertel. Die Gegend verlieh der Stadt ihren weltoffenen, schrillen und bunten Ruf.

Doch das war einmal. Haight-Ashbury steht als Synonym für den Wandel der ganze Bay Area. Im Zuge des Internet- und Elektronikbooms Ende der 1990er Jahre kamen immer mehr moderne Goldgräber ins Silicon Valley, die Mieten stiegen ins Unermessliche. Mindestens 1000 Dollar muss man heute in San Francisco für eine Einzimmer-Wohnung auf den Tisch legen, für eine 80-Quadratmeter-Wohnung werden gut 2000 Dollar fällig, ein Haus an der Peripherie belastet das Familienbudget mit mindestens 3000 Dollar im Monat. Selbst heruntergekommene Eigentumswohnungen sind unter einer Million Dollar nicht zu haben. Für mehr Wohnraum fehlt auf der Halbinsel einfach der Platz und so mussten viele, die nicht in Hightech-Unternehmen tätig sind, wegziehen.

Ein Silicon Valley-Bürgermeister kann davon ein Lied singen. Er musste 2006 zurücktreten, weil er ob der hohen Preise wegziehen musste. [Anm. Hab die Geschichte von der Außenhandelsstelle gehört, Tony konnte sich jedoch nicht mehr an Namen und Gemeinde erinnern. Wir suchen noch.] Seine Gemeinde lebte allerdings gut vom Strukturwandel. Eine der wichtigsten Einnahmequellen der Silicon Valley-Kommunen ist die Grundsteuer, die jährlich ein Prozent des letzten Verkaufswertes ausmacht.

Wer so horrende Mieten zahlen kann, muss auch gut verdienen. Das Durchschnittseinkommen im Santa Clara County – hier befinden die meisten Tech-Firmen – lag im Vorjahr bei 87.000 Dollar. 500.000 der rund 2,5 Millionen Einwohnern in der Region sind Millionäre. Außerdem gibt es nirgendwo auf der Welt so viele Milliardäre wie hier.

Viele kommen da einfach nicht mehr mit und so hat San Francisco heute die höchste Zahl an Obdachlosen im Land. Der Mietenwahn hat mittlerweile ernste Konsequenzen für das nördliche Kalifornien: Bei Polizisten, Feuerwehrleuten oder Lehrern gibt es einen akuten Notstand. San Jose musste vor fünf Jahren gegensteuern. Nachdem Schulen darüber geklagt hatten, dass sie wegen der enormen Wohnungskosten keine jungen Nachwuchslehrer mehr bekamen, legte die „Hauptstadt des Silicon Valley“ ein Förderprogramm auf. Die besten jungen Lehrer wurden aus dem ganzen Land mit einem speziellen Wohnbaudarlehen geholt. Einen Teil der Zinsen und Kreditrückzahlungen übernimmt seither die Gemeinde.

Wer sich dem Diktat des täglich bizzarrer werdenden Immobilienmarktes nicht unterwerfen will, muss lange ins Valley einpendeln. Der tägliche Weg zur Arbeit dauert für viele mehrere Stunden am Tag.

Cool, ein "Streber" zu sein

Und noch eine meiner Kleine-Zeitung-Stories aus dem Valley.

Cool, ein „Streber“ zu sein

Trotz so viel Technologie im Silicon Valley braucht man nicht meinen, der Durchschnittsbürger bewaffne sich ständig mit iPod und iPhone, beschäftige sich unablässig mit PC und Web oder spiele unentwegt mit GPS-Navigationsgeräten. Im Grunde gibt es keine Ausnahme zum Otto-Normal-Steirer. Auch hier ist man froh, wenn man nach der Arbeit den Computer ausschalten und sich ein Baseballspiel im Fernsehen ansehen kann. Auch hier ist der durchschnittliche Nutzer kein Computergenie und hat Probleme mit der Bedienung von Handy oder Digitalkamera.

Aber es gibt Ausnahmen: die „Geeks„. Das sind jene Streber, die an der Uni im Schachclub waren, eine Astronomie-Vereinigung gründen oder sich in jeder freien Minute einem bestimmten Thema widmen. Sie sind es, die tagelang vor einem Geschäft campieren, nur um als erster ein neues Handy (iPhone) oder Spielkonsole (Playstation 3) zu ergattern.

In einer immer komplexeren, digitalen Welt, werden diese Streber beim „Normalvolk“ immer beliebter, wie Leo Laporte, ein bekannter Podcaster und Talk-Radio-Moderator aus Petaluma, unlängst meinte: „Früher wurden wir nie zu Parties eingeladen. Jetzt können die hübschesten Mädels von damals nicht mehr ohne uns leben.“

Es ist die ungebändigte Leidenschaft für etwas, das Geeks antreibt – und Leidenschaft will geteilt werden. In der Bay Area geht das eben leichter als anders wo auf dem Planeten, weil es so viele von ihnen gibt.

Im März 1975 gründeten Gordon French und Fred Moore in ihrer Garage in Menlo Park den „Homebrew Computer Club„. Bei den Treffen und in Newslettern wurde über neueste Entwicklungen diskutiert, Baupläne für erste computerähnliche Geräte ausgetauscht. Dabei waren etwa Lee Felsenstein, Entwickler des ersten tragbaren Computers, oder Apple-Mitbegründer Steve Wozniak. Bei diesen Treffen zeigte Wozniak allen die Baupläne und Teilelisten für den ersten Macintosh Apple I.

Wer gibt, bekommt auch zurück, lautete die Devise und noch heute sagt Wozniak, dass ohne den Club und die Mithilfe der Hobbyisten der erste Mac niemals das Licht der Welt erblickt hätte. Niemand dachte zu dieser Zeit, dass aus ihren Hobbies einmal die milliardenschwere Computerindustrie entstehen sollte.

Den Homebrew Computer Club gibt es längst nicht mehr. Als der Erfolg kam, wurde Wozniak von Co-Gründer Steve Jobs verboten, so offen über Apple-Entwicklungen zu sprechen. Heute treffen sich Geeks bei spontanen, übers Web organisierten, „Meetups“, gehen „Photowalken“ oder organisieren eigene Konferenzen.

Normalerweise kostet die Teilnahme an Tagungen tausende Dollar oder es gibt einen sehr elitären Kreis der Eingeladenen. Anders bei den „BarCamps“ der Geeks: Sie sind allen kostenlos zugänglich, die sich austauschen wollen. In offener Atmosphäre voneinander lernen – dieses Prinzip der Urväter des Silicon Valley wird heute weltweit gelebt. BarCamps gibt es mittlerweile auch in Österreich.

Vom Lagerhaus zum Burning Man

Und noch etwas aus der Rubrik: Niemals gebloggt. Während der letzten zwei Wochen hatte ich in der Kleinen Zeitung eine Kolumne „E-Mail aus dem Valley“.

Vom Lagerhaus zum Burning Man
Die kleine Studentenrevolution von Berkeley in den 1960ern, der Summer of Love 1967 mit seinem großen Festival in Monterrey, Sex, Drugs & Rock’n’Roll in den 1970er Jahren – die Nachwirkungen dieser Zeit bestehen bis heute. Das Klima in San Francisco und der Bay Area ist freier, als im Rest der USA. Das zieht kreative Menschen an.

Kreativität bezeichnet die Fähigkeit schöpferischen Denkens und Handelns – nach dieser Definition gehören Techniker zu den Kreativsten überhaupt. Vom Programmierer über den Chipforscher bis zum Netzwerktechniker muss jeder rund um die Uhr nach Wegen rund um Probleme grübeln.

Im Valley ging es seit jeher darum, die Menschen in welcher Form auch immer zu befähigen. Praktisch jeder arbeitet hier mit Kreativen oder für diese: Sei es nun als Entwickler von Designsoftware oder als Mitarbeiter eines Kameraherstellers. Daher gibt es auch ein besonders Naheverhältnis, Technik und Kunst sind sich hier nicht fremd.

So verwundert es nicht, dass viele Abwechslung vom Job in der Kunst suchen. Kaum eine alte Lagerhalle zwischen South San Francisco und San Jose, die nicht zeitweilig als Atelier genutzt wird. Kaum eine Garage, in der nicht Schönes bis Bizarres entsteht. Das Spektrum der Talente, aus denen überdimensionalen Elektroschrott-Skulpturen oder Collagen von Firmenlogos geboren wird, ist breit.

Ihren Höhepunkt hat das Schaffen der zahllosen Hobbykünstler im alljährlich stattfindenden Burning Man Festival. Es ist dies die größte Ansammlung technischer Kunst rund um den Erdball. 1986 lud Larry Harvey – angeblich aus Liebeskummer – 20 Freunde an den Laker Beach in San Francisco ein. Sie zeigten all das, was sie im Jahr zuvor in der Garage zusammen geschraubt hatten und brannten danach einen gewaltigen Holzmann ab.

Nachdem Kalifornien offene Feuer verbot, zog Harvey und die immer größer werdende Schaar in die Black Rock Dessert, nördlich von Reno in Nevada. Die achttägige Veranstaltung Ende August ist ein verrücktes Großlabor radikaler Selbstdarstellung mitten im Staub der Wüste.

(c) mooflyfoof

Im Vorjahr bevölkerten mehr als 39.000 – von echten Verrückten bis zu Silicon Valley-Ingenieuren – die temporäre Zeltstadt in der Wüste. Das Mega-Spektakel findet heuer vom 27. August bis 3. September statt, das Motto lautet übrigens „The Green Man“.

Zu verrückt ist nichts. Was immer die Ingenieure in ihrer eigentlichen Firma nicht machen dürfen, bauen sie für den Burning Man. Sucht man nach neuen Ideen, braucht man nur in die Wüste gehen und man kommt mit 5000 neuen Gedanken zurück – das sagen zumindest viele der Teilnehmer.

Wikipedia weiß natürlich viel mehr als ich, Business 2.0 hat in seiner aktuellen Ausgabe eine tolle Geschichte über den Burning Man, auf Flickr gibt’s jede Menge Fotos und YouTube hat eine ganze Reihe Videos. Enjoy!

Die Kommentare zu diesem Artikel sind geschlossen, weil ausgerechnet dieser oft gespammt wird. Bitte um Verständnis. Danke!

Tirol, ich komme bald!

Logo Tiroler TageszeitungAm letzten Freitag war ich in Innsbruck. Der Grund: Ab 1. August gibt’s Technik made by Georg auch in der Tiroler Tageszeitung! Riesen Danke an das Team rund um Frank Staud für die tolle Aufnahme.

Derweil toure ich durchs Silicon Valley. Fotos von meiner „Tournee“ gibt’s auf Flickr. In San Francisco hab ich gestern abend im Apple Store ein wenig mit dem iPhone spielen können. Echt cool das Teil – das hätte ich nie gedacht. Eine kleine Mini-iPhone-Review gibt’s hier.

Mit iPhone spielen