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"In China gab's wirklich etwas"

Unlängst hatte ich die Möglichkeit, Steve Rogers zu interviewen. Rogers ist bei Google verantwortlich für die Consumer-Sparte für EMEA – also Europe Middle East and Africa. Rogers war auf Einladung der Creative Industries Styria in Graz.

Wo, außer im Kleingedruckten kann der Nutzer erfahren, was Google mit seinen Daten macht und wie lange die gespeichert werden?
STEVE ROGERS: Wenn Sie einen Account bei Google haben, können Sie unter google.com/dashboard buchstäblich alles nachverfolgen. Sie können sehen, welche Daten für welchen Dienst wir gespeichert haben. Dort sehen Sie auch, wonach Sie schon gesucht haben oder welche Produkte Sie nutzen.

Kann man sich darauf verlassen, dass das auch alles stimmt?
ROGERS: Ja absolut.

Das ist zwar schon etwas, kann aber noch nicht alles sein, wenn es um die Privatsphäre geht, oder?
ROGERS: Nein, natürlich nicht. Wir gehen im Laufe dieses Jahres und darüber hinaus einige Projekte an, die die Privatsphäre der Nutzer erhöhen. Aber Details kann ich dazu noch keine nennen.

Google hat unbestritten einiges unternommen. Warum haben Sie den, eine „Datenkrake“ zu sein? Wie wollen Sie diesen Ruf los werden?
ROGERS: Es wird schwer werden, diesen Ruf los zu werden. Wenn eine Firma größer wird, wird sie als undurchsichtig gesehen. Wir versuchen, aber so transparent zu sein, wenn es um die Daten der Nutzer geht. Wir wollen den Leuten auch helfen, ihre Daten bei uns zu löschen oder sie zu anderen Diensten mitzunehmen (www.dataliberation.org, Anm.).

Es gibt auch Ängste, dass Dritte an Nutzerdaten von Google kommen. Das war eine der Befürchtungen bei den chinesischen Hacker-Attacken unlängst. Wie begegnet man dem?
ROGERS: Bitte um Verständnis, dazu darf ich nichts sagen.

Lassen Sie mich anders fragen: War es nur ein öffentlichkeitswirksames Statement, dass Sie China verlassen wollen oder war da wirklich mehr?
ROGERS: Es war wirklich etwas, aber ich darf das nicht weiter kommentieren.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg meinte unlängst, dass es so etwas wie absolute Privatsphäre nicht mehr gibt. Stimmen Sie dem zu?
ROGERS: Je mehr die Leute online sind, umso eher wollen sie auch Daten, Fotos oder Erinnerungen mit anderen teilen. Ich meine, man hat die Möglichkeit, seine Privatsphäre absolut zu schützen. Aber es wird schwerer, Teil der Online-Welt zu sein und dennoch absolute Privatsphäre zu haben.

Ein anderer Prominenter der Technik-Welt, Steve Jobs, meinte unlängst, dass das „Tu nichts Schlechts“-Mantra von Google „Bullshit“ sei. Ist das so?
ROGERS: Überhaupt nicht! Das ist absolut unser Leitsatz. Ich bin noch nicht lange bei Google und bin überrascht, wie das bis ins Mark dieser Firma stimmt.

Bleiben wir bei Apple. Die Liebe zwischen Apple und Google scheint nicht mehr so heiß zu sein, wie zu Zeiten als Google-Chef Eric Schmidt im Aufsichtsrat von Apple saß. Kann das etwas mit Googles Android-Handy-Betriebssystem zu tun haben?
ROGERS: (lacht) Interessante Frage. Ich weiß nicht, warum Eric nicht mehr Aufsichtsrat von Apple ist. Klar sind Andorid und das Nexus One Konkurrenten von Apple. Aber gleichzeitig arbeiten wir mit Apple sehr eng zusammen. Das ist normal im Geschäft – mit einigen Firmen ist man im Wettbewerb, mit anderen arbeitet man zusammen und wieder mit anderen ist man sowohl Konkurrent als auch in Kooperation.

Wenn man sich die Betriebssysteme anschaut, die Google in der letzten Zeit vorgestellt hat, drängt sich eine Frage auf, was für Google wichtiger sei – der Verkauf von Anzeigen oder Microsoft im Kerngeschäft anzugreifen?
ROGERS: Das wichtigste überhaupt ist es, praktische Dienste für unsere Nutzer zu erstellen. Wenn diese direkt mit Microsoft konkurrieren, soll das so sein. Aber es ist keine Absicht dahinter, Microsoft weh zu tun.

Marktbeobachter rechnen damit, dass schon heuer die meisten Smartphones mit Android-Betriebssystem laufen. Ist Google hier schon Nummer eins?
ROGERS: Mir fehlen da die Zahlen, aber ich will es schon hoffen, dass wir hier erfolgreich sind. Unser Geschäft hier wächst sehr rasch. Wir haben auch eine ganze Menge an Anwendungen verfügbar für Android. Ja, es schaut gut für uns aus.

Ortsbezogene Dienste scheinen das „nächste große Ding“ zu sein. Anders als Google scheinen aber zwei winzige Start-ups (Gowalla und Foursquare) aus dem Silicon Valley die Nase vorne zu haben. Stört Sie das?
ROGERS: Es schadet nie, kleine Start-ups zu haben, die technisch vorne sind. Es ist gut, dass es kleine Firmen gibt, die die Branche ein wenig aufmischen. Ortsbezogene Dienste werden wirklich immer wichtiger und weiter verbreitet. Wir haben aber auch einige Dienste in diese Richtung. Wie etwa Goggles, das mit Hilfe vom Ort und der Kamera Objekte erkennt und die Suche unterstützt.

Apple stellte letzte Woche den iPad vor. Es könnte auch ein Tablet mit Google-System geben. Apple verkauft nun doch keine Zeitungen und Magazine. Wann beginnt Google damit?
ROGERS: Ob Google tatsächlich so etwas verkaufen wird, ist offen. Ein Tablet mit Google-Betriebssystem ist absolut möglich. Es gibt keinen Grund, warum jemand so etwas nicht entwickeln könnte.

Und man könnte sie mit Googles Bezahldienst Checkout bezahlen?
ROGERS: Absolut und sie könnten zu Google Books gehen.

Die Verleger im deutschen Sprachraum sind aus einer Reihe von Gründen sauer auf Google. Ein Grund ist der Mangel an Transparenz bei der Verteilung der Werbegelder. Verstehen Sie, dass die Undurchsichtigkeit sie sauer macht?
ROGERS: Ich verstehe hier den Frust der Verleger. So wie ich das sehe, sind die spezifischen Aufteilungen Verhandlungssache mit jedem einzelnen Kunden und Verleger. Daher sind diese Zahlen nicht öffentlich. Genau wie ich den Frust verstehe, frage ich mich, warum es in der Vergangenheit nicht offen war. Transparenz ist immer eine gute Sache und ich bin froh, dass es hier bald auch eine Lösung geben wird.

Ich habe eine Website und unlängst einen Gutschein bekommen, um Werbung auf Google zu schalten. Wer bezahlte dafür? Andere Website-Betreiber?
ROGERS: Wir bezahlen das. Und das ist genauso wie jede andere Werbemaßnahme eines jeden anderen Unternehmens Teil der Kalkulation. Dafür kommen auch neue Werbekunden dazu.

Wann haben Sie das letzte Mal auf eine Anzeige geklickt?
ROGERS: Das war gestern.

Was war’s?
ROGERS: Es hatte irgendetwas mit Österreich zu tun. Stimmt: Mit meinem kommenden Schiurlaub in Tirol.

Verstehen Sie die Nutzer, die nie auf Anzeigen klicken oder die nicht einmal mehr sehen?
ROGERS: (lacht) Ich kann Ihnen nur raten, öfters drauf zu klicken. Wenn Sie die Klickraten ansehen, werden sie von wenigen Prozent der Leute geklickt. Aber auch andere Anzeigen haben einen recht geringen Rücklauf.

Vielen Europäern ist unwohl dabei, wenn sich ein Gutteil des kulturellen Erbes wie Bücher in Händen eines großen Konzerns befindet. Wie begegnen Sie solchen Ängsten?
ROGERS: Ich sehe darin kein Problem. Wir interpretieren diese Werke nicht, sondern machen sie nur zugänglich. Und das sollte eigentlich im Sinne der Leute sein. Wir haben sehr viele Aktivitäten in ganz Europa und so gibt es genügend Leute im Konzern, die die kulturellen Eigenheiten Europas sehr gut verstehen.

Apropos Google Books: Was wäre wenn ich ganze Bibliotheken einfach einscannen und erste später um Erlaubnis fragen würde? Gibt es nicht einen Unterschied zwischen kleinen Bürgern, denen bald einmal Copyright-Verletzungen vorgeworfen werden, und mächtigen Konzernen?
ROGERS: Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann. Aber alle, die in das Projekt involviert waren, haben alles getan, um sicherzustellen, dass alles legal war. Und alles ging mit den besten Intentionen vonstatten.

Ihre Sicht auf das Internet in zwei oder gar fünf Jahren … Wie wird es aussehen?
ROGERS: Das ist eines der Themen des Kongresses der Creative Industries Styria, für die ich in Graz bin. Es wird immer mehr Daten und Wissen im Internet geben. Gleichzeitig wird dieses Wissen immer vernetzter. Die größte Veränderung dabei bringt der Kontext mit. Das Netz wird unsere Festplatte, wo alle Daten gespeichert werden. Wichtiger werden der Ortsbezug und unsere ganz individuellen Verbindungen mit unseren Freunden. Dabei wird allerdings auch der Schutz der Privatsphäre immer wichtiger.

Die Verbindungen werden auch immer besser.
ROGERS: Ja, weil immer mehr Verbindungen automatisch entstehen. Dafür braucht es aber auch mehr Verständnis für Privatsphäre und granularer Einstellmöglichkeiten. Ist beides nicht vorhanden, blockiert sich das Internet selbst in seiner Entwicklung.

Und wo sehen Sie Google? Mit dem Bücherdienst, Lernvideos auf YouTube und vielem mehr, könnte es auch bald eine Google-University geben. Wo sehen Sie Google in fünf Jahren?
ROGERS: Fünf Jahre ist ein weiter Weg. Üblicherweise planen wir sechs Monate bis ein Jahr im Voraus. Google-Produkte werden immer praktischer, aber auch immer mehr untereinander vernetzt.

ZUR PERSON:

Steve Rogers, geboren am 20. Jänner 1961 in Longfield, England.
Nach dem Studium an der Coventry University war Rogers von 1989 bis 1996 bei Philips in Wien tätig. Dort arbeitete an der Bedienerführung von Videorekordern. Danach ging er ins Silicon Valley, war später Entwicklungschef bei der BBC und Leiter für digitale Dienste bei der British Telecom. Seit August 2008 ist er Europachef von Google und hier insbesonders fürs Endkundengeschäft zuständig.