Microsoft: Wohin die Reise geht
Gestern und heute häufen sich die Gerüchte, was Microsoft angeht. Die kommenden drei Monate dürften spannend für die Redmonder werden.
- Erst gibt es Spekulationen über eine frisch aufgelegte 3,75 Milliarden Dollar-Anleihe.
- Dann bestätigt man, dass Windows 7 doch heuer erscheint. Mein Tipp: Es bekommt auch eine komplett neue Oberfläche.
- Das Technical Preview von Office 2010 wurde angekündigt. Obwohl Microsoft bisher noch nichts zu den Features gesagt hat, ist doch schon einiges durchgedrungen.
- Und Microsoft streut via Twitter selbst Gerüchte um ein mögliches Zune-Phone. Scheinbar, denn der Account ist ein Fake. Dennoch ist ein bisschen was dran!
Doch der Reihe nach.
1. Microsofts Portokasse
ist eigentlich prall gefüllt. Microsofts geht’s finanziell nicht schlecht, man hat ein AAA-Rating und angeblich – wie ich heute einigen Medienberichten entnehme – 30 Milliarden Dollar (22 Milliarden Euro) in Cash am Konto.
Wozu legt man dann eine Anleihe mit einem Volumen von 3,75 Milliarden Dollar auf? Weil man das Geld billig bekommt. So sicher wie Microsoft sind höchstens noch Staatsanleihen. Dementsprechend günstig sind die Zinsen von 4,2 Prozent.
Aber was macht man mit all dem Geld?
- Aktien zurück kaufen?
Der Aktienkurs zog zwar heute kurzfristig leicht an, allerdings dümpelt er seit 2001 vor sich hin. Zuletzt sank er gar auf etwas über 15 Dollar. Vielleicht wäre das jetzt kein schlechter Zeitpunkt für ein bisschen Kurspflege …
- Microsoft kauft SAP: 5% Wahrscheinlichkeit
Darüber wurde heute schon ausgiebig in den Medien spekuliert. Warum das nicht klappen wird: Microsoft bietet auch Business-Software an und ist ein direkter Konkurrent von SAP. Die EU-Wettbewerbskomission, die Microsoft ohnehin nicht zu mögen scheint, würde einen solchen Deal niemals zulassen. Zudem hat Microsoft heute schon dementiert. - Microsoft kauft Yahoo: 15% Wahrscheinlichkeit
Schön langsam nervt es, ständig dieselben Hochzeitsglocken zu hören. Microsoft hat in den letzten eineinhalb Jahren zu viel in die eigene (immer noch nicht gute) Live-Plattform gepumpt. Dieser Deal macht mit jedem Tag weniger Sinn.
Selbst am reinen Suchmaschinen-Geschäft von Yahoo sollte Microsoft immer weniger interessiert sein, weil man grad an einem neuen Release der Live-Suche arbeitet. Die neuen Such-Algorithmen (Codename „Kumo“) haben nur noch letzte Tests vor sich. Nutzen kann man sie derzeit nur MS-intern und da auch nur in den USA. Ein Countdown deutet auf einen Launch am 3. Juni hin.
Auch wenn die Ergebnisse viel besser sein sollen, bleibt die Frage, ob man damit Google paroli bieten kann. Wohl schwer, weil vieles Gewohnheitssache ist. - Microsoft kauft Twitter: 70% Wahrscheinlichkeit
Das macht absolut Sinn und ich hoffe für Microsoft, dass es dazu kommt.
Warum? Wenn man es richtig angeht, bekommt man einerseits eine lebhafte Community von Tech-Enthusiasten mit einem „netten“ Celebrity-Anstrich. Genau das fehlt Microsofts Live-Division, deren User meist aus Leuten besteht, die kaum Ahnung von Content-Sharing (Foto, Video) haben. Andererseits steckt in der Echtzeit-Suche von Twitter ein gewaltiges Potenzial, das nicht einmal ansatzweise gehoben ist und – in seiner Nische – selbst Google erzittern lässt. - Microsoft kauft Rim: 30% Wahrscheinlichkeit
Genau das würde Microsofts Mobile-Division brauchen: Blackberries als gute Messaging-Produkte für Business-User, leidenschaftliche Kunden und einen bestehenden Markt.
2. Windows 7 mit (noch geheimer) Oberfläche
Ja genau, einer neuen Oberfläche. Einer, die noch keiner gesehen hat! Ursprünglich (auf der PDC 2008) hörte ich, der Termin fürs RTM (Release to Manufacture) für Windows 7 sei am 3. Juni. Bislang hat sich Microsoft nie öffentlich zu einem Fertigstellungstermin geäußert. Bis gestern: Der neue RTM-Termin wäre laut Blogeintrag von Windows-Chef Steven Sinofsky „in drei Monaten“ also spätestens im August.
Interessant: Aus „gewöhnlich gut informierten Microsoft-Kreisen“ habe ich gehört, dass es zwei Sign-Off-Termine für die Entwicklerteams gibt. Einer für die Codebasis von Windows, einer für die User Experience (UX). Daraus kann man nur den einen Schluss ziehen, dass an der Oberfläche noch gearbeitet wird.
Und wenn es schon zwei Sign-Off-Termine gibt, wird da wohl mehr passieren, als das Re-Design von Icons. Die Sache ist doch die: oberflächlich hat sich – sieht man einmal von der neuen und Startleiste ab – nicht allzu viel getan. Und damit man es als Major-Release (was es zweifelsohne auch so schon ist) der breiten Masse verkaufen kann, braucht man Neues.
Da kommt noch was nach, da bin ich mir sicher!
Zum Launch-Termin: Wenn wirklich erst im August RTM ist, könnten die ersten Computer damit spätestens Ende September ausgeliefert werden. Das ist fast schon zu spät, wenn man bedenkt dass während der „Back-to-School“-Saison die meisten Laptops und Desktops verkauft werden.
Allerdings gibt es für Käufer wie bei jedem Windows-Launch eine Hintertüre: die Technologiegarantie. Wie schon bei XP und Vista wird der Käufer eines aktuellen Betriebssystems den Nachfolger geschenkt bekommen. Ich tippe einmal, dass diese Frist am 1. Juli oder 1. August beginnen wird.
Ach ja: Und auch bei Vista gab es die Möglichkeit, sich eine 180-Tage-Version des fertigen Produkts kostenlos zum Test herunter zu laden. Warum soll es das diesmal nicht geben?
3. Das (Web)Office kommt
Gestern wurde bekannt, dass im Juni der Test von Office 2010 beginnt. Die etwas eigenartige Werbesite dafür -“ www.Office2010TheMovie.com – deutet darauf hin, dass es schon am 1.7. soweit sein könnte.
Ich durfte bereits mit einigen Leuten bei Microsoft über Office 2010 reden. Verraten haben sie mir leider nichts bis gar nichts – alle waren aber derselben Meinung: „Es wird ein Wahnsinn“.
Was man bislang über Office 2010 (Codename Office 14) weiß:
- Es wird erstmals eine Web-Version geben. Auf der PDC wurden die Online-Apps grob vorgestellt. Hier meine Review.
- Die Online-Zusammenarbeit steht ganz oben auf der Agenda. Jedes Office-Dokument kann übers Netz von zwei oder mehreren Kollegen gemeinsam und zeitgleich bearbeitet werden. Denkbar wäre etwa, dass der eine Kollege schon mit dem Vortrag beginnt, während der andere (egal, wo er auf der Welt sitzt) noch die letzten Powerpoint-Folien bearbeitet.
- Apropos: Powerpoint. Vor fast zwei Jahren durfte ich mit dem Powerpoint-Chef (übrigens ein Österreicher) in Mountain View ein wenig reden. Als ich meinte, dass Präsentationen mit Apples Keynote viel attraktiver wirkten, meinte der nur: „Das ist uns bewusst und sicher eine Entwicklungsrichtung.“
Was ich mir auch gut vorstellen kann: Powerpoint geht in dieselbe Richtung, wie Prezi.com geht. Die Basis für diese Richtung wäre pptPlex, eine Zoom-Erweiterung, die es jetzt schon in den OfficeLabs zum Download gibt. - OneNote: Auch diese Anwendung bekommt den bekannten Ribbon. Hier steht vor allem die Portabilität der Daten im Vordergrund. OneNote-Notizbücher werden online, in der Anwendung und auf einer Reihe von Handys bearbeitbar.
Stichwort: Office-Labs: Canvas for OneNote wäre ein Modell, wie OneNote 2010 einem beim Auffinden und Organisieren der Inhalte unterstützen könnte. - Outlook: Auch hier zieht der Ribbon ein und macht vieles einfacher. Und auch sonst wird sich an der Oberfläche einiges ändern.
Die Screenshots zeigen sehr schön: Überall in Outlook wird es Buttons geben, um ähnliche Inhalte („Related“ – Absender, Betreff etc.) zu finden.Zudem packt Microsoft endlich auch Tools in das Programm, die intern gegen den Mail-Wust kämpfen. „Clean Up“ nennt sich scheinbar der Mail Threat Compressor, der Jahrelang nur für Redmonder zur Verfügung stand. Die Rechtsabteilung soll bisher etwas dagegen gehabt haben, dass Mails oder Teile von Mails der Benutzer gelöscht werden sollen. Damit zieht auch eine Konversations-Übersicht ein, die man schon aus Gmail kennt.
Hinter dem Button „Ignore“ steckt eine Funktion, die einem vor irrelevanten Diskussion verschont. Mail-Threads zu immer dem gleichen Thema werden so blockiert.
Screenshots der Mail-Ansicht zeigen, dass man scheinbar an jeden Inhalt nun auch eine Notiz packen kann. Praktisch. Außerdem wird das Aufzeichnen und Versenden von Sprachnachrichten (auch ohne Office Communication Server?) vereinfacht. Und eine Übersetzungsfunktion hilft bei fremdsprachigen Mails weiter.
Die Funktion „Quick Steps“ hat noch nicht einmal ein Icon. Sie könnte aber ein Shortcut sein, um direkt aus einem Mail heraus einen Termin mit dem Absender zu vereinbaren oder ihn als Kontakt anzulegen.
MailTips: Außerdem soll Outlook einen warnen, bevor man einen E-Mail-Fauxpas begeht. So wird es aufschreien, wenn man zu große Dateien versendet oder ein Mail an viel zu viele Absender richtet.
Hier noch mein Wunsch ans Office-Team: Ich will sozialere Kontakte – das heißt, eine tiefe Integration von Facebook, Twitter & Co. Hier noch erste Infos zu Outlook Web Access 2010.
- Von Office 2010 wird es wie bisher mehrere Versionen geben – jeweils aber (und das ist neu) in 32 und 64 Bit-Varianten.
4. Das Zune-Phone kommt
oder auch nicht … Heute gab es einen Tweet, der von besagter Office 2010-Kampagne ausgehen soll und für breite Aufmerksamkeit (auch in Massenmedien) gesorgt hat:
Die Meldung lässt den Schluss zu, Microsoft würde in Kürze ein eigenes Handy auf den Markt bringen.
Ein Fake. Auch wenn der Account nicht von einem offiziellen Microsoftie betrieben wird, wette ich, dass etwas in der Luft liegt und es auf der E3-Expo (2. bis 4. Juni) eine Ankündigung gibt. Seit Monaten gibt es entsprechende Gerüchte (Codename: Pink).
Was spricht für ein Microsoft-Handy:
- Windows Mobile, wird nicht nur wegen seiner eigenen „Qualität“ geprügelt, sondern auch wegen der Hardware der OEMs. HTC & Co. holen sich das Image von Windows Mobile ab und verbauen drum herum billiges Plastik. Im Target-Costing werden dazu noch stets die Kosten für einzelne Komponenten (wie Prozessoren) gering gehalten. Software-Updates gibt’s kaum bis keine. Die Experience für den Kunden ist dann unterm Hund
- Microsoft könnte somit eine Referenzplattform schaffen, die als Maßstab für alle Handys von Windows Mobile dienen würde.
- MP3-Player sind derzeit Microsofts komplett eigene Mobil-Plattform. Dass sich der Zune schleppend verkauft, liegt nicht nur an seinem Design, sondern auch an der Tatsache erklären, dass MP3-Player Comodities geworden sind, die heute jeder anbieten kann.
Zudem wollen immer weniger einen dedizierten MP3-Player kaufen, sondern alles in einem Gerät mit sich mit dabei haben: meist in Form des Handys. - Teure Content-Plattform: Für eine schwindende Anzahl von Zune-Käufern hält Microsoft nicht sein Zune-Network am Leben. Der Betrieb und die Lizenzen für so eine Content-Plattform (mit Flatrate für 14,99 Dollar/Monat) kostet enorm viel Geld. Zu viel, für ein paar MP3-Player am Markt.
Und siehe da – erst gestern startete ein kleiner „Gegenangriff“ auf den iPod und Apples iTunes Music Store: - Für Business-Kunden hat man Windows Mobile. Ein Zune-Phone würde auf den – von Microsoft bislang (sieht man von der Xbox ab) kaum erschlossenen – Consumer-Markt abzielen.
- Hausinternes Knowhow: Microsoft hat im Februar 2008 Danger gekauft – das ist der Hersteller von T-Mobiles Sidekick-Handy.
Doch es gibt auch einiges, das gegen ein eigenes Microsoft-Handy spricht;
- Die OEMs: Microsoft würde damit den eigenen Kunden Konkurrenz machen. Aber das passiert immer öfter – etwa auch im Bereich des Hostings von Exchange oder Sharepoint.
- Das iPhone: Man würde immer an dem gemessen. Es wäre fatal, würde „Microsofts iPhone-Killer“ nicht perfekt sein.
- Der Touchscreen-Zune steht Ante Portas und könnte bereits auf der E3 angekündigt werden. Dem Vernehmen nach soll der Zune HD bereits in Kürze vorgestellt werden. Seit Wochen kursieren CAD-Renderings im Netz. Ich kann nicht ausschließen, dass es sich dabei nicht etwa um eine Fälschung handelt, aber sie sehen für mich sehr realistisch aus.
Realistischer als ein Microsoft-Handy – zumindest derzeit. Wer weiß, was nächstes Jahr passiert …
Ich wünschte, andere Firmen wären ebenso vorhersehbar … Was meint ihr?