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Die Ortskaiser

Schon lange bevor GPS-Empfänger in Handys eingebaut wurden, schwärmten viele Analysten von ortsbasierten Diensten. Location Based Services (kurz: LBS) wären eine unendliche Geldquelle, konnte man jahrelang immer wieder lesen.

Nicht zu Unrecht. Doch obwohl das Potenzial enorm ist, dümpelten diese Dienste allzu lange vor sich hin. Nicht einmal Google vermochte dieses Potenzial zu heben und jetzt kommen zwei spielerische Angebote daher, die einen spürbaren Mehrwert für den Nutzer bieten. Gowalla und Foursquare haben das Zeug, sich langfristig zu etablieren.

Location Sharing
nennt sich der  jüngste Trend der „Generation Facebook“. Mit einem „Check-in“ teilt man allen Freunden mit, wo man gerade ist. Auf Wunsch wird jeder „Check-in“ nicht nur an die Handys der Freunde geschickt, sondern gleich per Facebook und Twitter veröffentlicht – also nichts für Leute mit schwachen Nerven, wenn es um die Privatsphäre geht.

Beide Dienste sind recht jung. 2009 gegründet, hoben sie erst im vergangenen November/Dezember richtig ab. In Österreich fehlt noch die kritische Masse, um den wahren Nutzen zu erkennen. Aber auch das wird schön langsam und es macht auf alle Fälle Spaß.

Zweikampf um die Führung:
Die Gowalla-App wirkt liebevoller gestaltet, aber auch verspielter. An jedem Ort kann man virtuelle Gegenstände hinterlassen oder welche mitnehmen. Gowalla gibt es derzeit nur für Apples iPhone.

Nüchterner, aber zugleich praktischer, zeigt sich Foursquare. Es gibt Tipps und Zusatzinformationen zum jeweiligen Ort, der Spieltrieb wird durch Aufgaben gefördert. Weil Foursquare schon etwas länger am Markt ist, gibt es die App für mehrere Handys (iPhone, Android und Blackberry) sowie eine Reihe von Programmierschnittstellen (APIs). Damit könnte man Websites basteln, die etwa Besuchshäufigkeit von Lokalen auswerten und so auf deren Beliebtheit schließen. Ein anderer Dienst könnte auflisten, welche Bars von mehr Frauen oder mehr Männern frequentiert werden. Die Nutzung von Foursquare war bis vor kurzem auf einige große Städten beschränkt, erst seit Anfang des Jahres gibt es den Dienst überall.

Ähnliche Dienste wie Yelp spielen in Europa keine Rolle. Die Problematik: Noch ist unklar, welcher der beiden „Ortskaiser“ sich durchsetzen wird. Wer das jetzt nutzt, muss wohl oder übel immer zwei Mal einchecken. Mein Favorit: Foursquare. Die App wirkt wie gesagt nicht so kindisch. Zudem ist die Neueingabe von Locations (derzeit sehr wichtig) präziser, weil man in Lokalen nicht nur auf die ungenaue Zellortung per Handymasten angewiesen ist, sondern auch Adressen eingeben kann.

Wertvolle Datenbank entsteht
Sehr geschickt nutzen beide den Spieltrieb ihrer Nutzer aus, indem sie Punkte verteilen oder Abzeichen verleihen.

Gibt es eine Lokalität noch nicht, kann man sie in beiden Anwendungen leicht neu anlegen und wird dafür ebenfalls mit Punkten belohnt. Auf diese Weise könnte binnen kürzester Zeit und spielerisch eine riesige Datenbank für Lokale, Shops, Parks Museen und vieles mehr entstehen. Für Datenbanken mit solchen Points of Interests (POIs) müssen normalerweise ordentliche Summen auf den Tisch gelegt werden.

Enormes Marketing-Potenzial
Bei der Benutzung wird schnell deutlich, dass es auch einen geschäftlichen Nutzen gibt. Der Nutzer muss wissen, dass er zwar tolle Dienste umsonst bekommt und er zwangsläufig aber einen Teil seiner Privatsphäre opfert. Die Anbieter wissen genau, wo sich ihre Nutzer aufhalten und könnten dies später nutzen, um punktgenau mobile Werbung zu platzieren.

Gestern Abend war ich unterwegs und checkte versehentlich im falschen der beiden Klagenfurter Irish-Pubs ein. Just als ich Julian vom Claddagh das Potenzial dieser Dienste zeigen wollte, bekam ich während dem Check-In folgende Meldung auf den Bildschirm:

Ein User – noch dazu einer, den ich gut kenne – gab mir virtuell einen Tipp. Und wenn Ed meint, das „Bei uns“ wäre ein netter Ort, dann hat das für mich Gewicht.

Drei von vielen Marketing-Möglichkeiten:

  • Empfehlungen:
    Ich checke in Lokal A ein, werde aber durch einen Bekannten auf Lokal B in unmittelbarer Nähe aufmerksam. Spätestens jetzt muss jeder Wirt ein iPhone kaufen laufen und „Tipps“ geben. Ganz ehrlich ist das zwar nicht, aber man könnte ja auch zufriedene Stammgäste bitten, so etwas zu machen.
  • Prämierungen:
    Welcher Wirt weiß schon immer,  wer sein bester Gäste ist? Den sollte man eigentlich belohnen. Denkbar wäre es, jedem Mayor (so wird die Person genannt, die am öftesten am gleichen Ort eincheckt), einen Drink zu spendieren. Die Position des Mayors muss  jede Woche neu erstritten werden. Macht man eine solche Aktion publik, könnte es regelmäßig zu einem Rennen um den Titel des Bürgermeisters kommen.
  • Spontane Ankündigung:
    Noch ist es meines Wissens nach nicht möglich, allen Nutzern eines bestimmten Ortes eine Nachricht zu senden. Noch, denn kommen wird das ganz sicher. So könnte man den Nutzern im Umkreis von 200 Metern eine Einladung zur Happy Hour zukommen lassen. Diese Form der Werbung dürfte auch eines der Geschäftsmodelle von Foursquare und Gowalla sein.

Dasselbe ließe sich auch für Geschäfte oder Kultureinrichtungen aller Art nutzen.

Der Hauptnutzen beider Anwendungen ist für mich  eine Verbindung von realer Welt mit dem Internet. Und die ist durchaus sozial: Ist einem Nutzer fad zu Hause, so weiß er gleich, wo seine Freunde eingecheckt sind. Und so entschuldige ich mich gleich bei allen, die mich als Freund dazu tun wollen. Anders als bei Facebook oder Twitter, akzeptiere ich hier nur wenige Leute, mit denen ich tatsächlich viel privat zu tun habe.