Meinung: Populismus, der nur Übelkeit bringt

Populismus hält dieses Land immer stärker im Würgegriff. Ausnahmsweise wird von Österreichs Politikern nicht blindlings verbal auf Ausländer eingeschlagen, sondern diesmal gegen die globale Hochfinanz agitiert. Und noch einen Unterschied gibt es: Diesmal werben Politiker mit zwei Themen nicht für die Wiederwahl, sondern täuschen über eigene Versäumnisse hinweg.

Politiker (egal, welcher Couleur) lügen oft deshalb, weil sie die Wahrheit für unzumutbar erachten oder weil kein Politiker seine Fehlbarkeit eingestehen möchte. Der tägliche Konsum an Nachrichten erregt bei mir zuletzt immer öfter Übelkeit. Ich kann schlichtweg nicht so viel essen, wie ich bei den Begriffen Schuldenbremse und Reichensteuer raufkotzen möchte. Schauen wir uns doch diese zwei „Trend-Schlagwörter“ einmal näher an.

Schuldenbremse

Wikipedia versteht darunter eine

… konstitutionelle Selbstbindungen und zwischenstaatliche Vereinbarungen […], durch die Staaten ihren Regierungen und Parlamenten einerseits die Möglichkeit nehmen, im Übermaß Verschuldungen einzugehen sowie auch die Verpflichtung auferlegen, eventuell bestehende übermäßige Verschuldungen zurückzufahren.

Im Klartext: ein Verfassungsgesetz, das Grenzen der (Neu)verschuldung festlegt.

Haben wir so etwas nicht schon?
Antwort: Ja, die Maastricht-Kriterien. Diese sehen einen maximalen Schuldenstand von 60 Prozent und eine jährliche Nettoneuverschuldung von nicht mehr als drei Prozent des BIP vor.

Wozu also ein Gesetz, für etwas, wofür wir ohnehin schon Regeln haben?
Antwort: Keine Ahnung. Vielleicht will man damit Ratingagenturen beruhigen. Politiker könnten so auch der Bevölkerung zeigen, dass sie irgendetwas getan haben.

Wie lange wird die Schuldenbremse halten?
Antwort: So lange Rot und Schwarz dies wollen. Das US-Fiasko vom Sommer diesen Jahres wird es in Österreich nicht geben, weil es (wie es ausschaut) gar kein Verfassungsgesetz geben wird. Jede nachfolgende Regierung kann das Gesetz mit einfacher Mehrheit aufheben.

Wird die Schuldenbremse funktionieren?
Antwort: Mit Sicherheit nicht, es sei denn es gibt wirklichen Willen zum Sparen. Das würde bedeuten, dass man tabulos die Diskussion über (dringend nötige) Strukturreformen eröffnet oder zulässt. Echtes sparen würde auch bedeuten, dass alle Parteien auch bei ihrem eigenen Klientel kürzen müssten. Wer beides glaubt, wird selig.

Muss überhaupt gespart werden?
Antwort: Kranksparen bringt uns freilich genauso wenig weiter wie endloses Geld ausgeben und das weitere Anhäufen von Schulden. Aber dass der Staat ohne Einbußen beim Dienst am Bürger deutlich schlanker werden könnte, steht außer Zweifel.

Fassen wir zusammen:

  • Es gibt keine Notwendigkeit für eine Schuldenbremse, weil wir schon eine haben.
  • Eine Schuldenbremse ist das unausgesprochene Eingeständnis der Politik, eigene Regeln ständig gebrochen zu haben.
  • Wenn Ratingagenturen diese Schuldenbremse ohne weitere Strukturreformen abkaufen, sind sie völlig ahnungslos.

Reichensteuer

Es ist allzu leicht auf den Klassenfeind einzudreschen. Sogar aus Teilen der ÖVP heißt es populistisch: „Her mit dem Zaster! Her mit der Marie!“

Fakt ist: Der Faktor Arbeit (mitsamt Lohnnebenkosten) wird in Österreich so hoch belastet wie sonst nirgendwo auf der Welt und Österreich ist ob des weitgehenden Fehlens an Kapital- und Vermögenssteuern ein Mekka für (Super-)Reiche. Ebenso unbestritten dürfte sein, dass man ob des strengen Bankgeheimnisses als Steuersünder hier recht wenig zu befürchten hat. Wären nicht diverse Ermittlungen in anderen Causen am Laufen, wären die Geldtransfers von KHG, Meischi und Hochegger über Zypern und/oder Guernsey in geheime liechtensteinische Stiftungen ebenso entdeckt worden wie Herbert Scheibners vermeintliche Geldwäsche über die Vereinigten Arabischen Emirate. In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung.

Und wer mir weißmachen kann, dass ein paar Strizis die einzigen sind, die unversteuertes Geld in Stiftungen parken, der glaubt auch ans Christkind!

Fassen wir abermals zusammen:

  • Wieso hinterfragt nicht jemand, wem das strenge (und im Übrigen oft gerügte) Bankgeheimnis wirklich nützt? Den vielen kleinen Selbständigen oder der Billa-Kassierin sicher nicht.
  • Wieso kaufen wir nicht aktiv DVDs mit Daten von Steuersündern wie etwa Deutschland? Auch in Österreich wären solchermaßen beschaffte Beweise jederzeit in Finanzstrafverfahren verwendbar.
  • Wieso gibt’s so unsäglich komplizierte Steuergesetze in Österreich mit so unsäglich vielen Ausnahmen und Schlupflöchern, die ohnehin nur „den G’stopften“ vorbehalten sind?
  • Würden in Österreich alle ihre Steuern bezahlen, hätten wir kein Problem.

Wer sich mit diesen Fragen auseinandersetzt, weiß: Es braucht keine Reichensteuer, sondern nur ein effizientes Steuersystem, bei dem keiner auskommt.

Und warum ist die Politik so aufgeschreckt?
Antwort: Weil es ihnen erst jetzt schön langsam dämmert, dass sie das nächste Globalisierungsopfer ist. Entschieden wird längst nicht mehr am Ballhaus- oder Arnulfplatz. Entschieden wird längst schon in der Chefetage von Goldman Sachs oder in Brüssel, wo man bewusst die falschen Leute (schwache EU-Kommissare wie Baroso vs. starke Nationalstaaten wie DE oder FR) hingesetzt hat. Nur ist diese Wahrheit dem Bürger tatsächlich nicht verkaufbar.

3 Kommentare
  1. Thomas Zehetbauer
    Thomas Zehetbauer sagte:

    Rechtsstaat war eine Selbstbeschränkung der staatlichen Gewalt. Der Staat darf illegale Handlungen weder selbst setzen noch andere dazu auffordern oder dafür belohnen. Die saubere Alternative zum Kauf von gestohlenen Daten wäre einfach eine Steuer für Kapitaltransfers aus Ländern mit denen es kein „Transparenzabkommen“ gibt. Die Reichen könnten ihr Geld zwar noch immer auf den Cayman Islands verstecken, aber wer rettet dort die Banken, wenn es zu einer Krise kommt?

  2. Bernd Ritter
    Bernd Ritter sagte:

    Komme zwar aus Deutschland, aber das deckt sich 1 zu 1 mit unserer Situation, gelungener Artikel!

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