Kärnten hat für immer verloren

Sechs aus meinem engsten Freundeskreis verlassen gerade Kärnten. Zwei zieht es gerade nach Wien, zwei gehen nach demnächst nach Salzburg, einer will so bald wie möglich nach Berlin und eine siedelt nach Graz.

Danke an Franz Miklautz für die Videogelegenheit! Und sorry für die Sonnenbrille. Die Sonne ist in Kärnten NICHT vom Himmel gefallen. Ganz im Gegenteil – sie stach ganz schön vom Himmel.

In den letzten 15 Jahren sah ich mehrere Dutzend Schulkolleginnen und -kollegen, Freunde oder Bekannte ihre Sachen packen und nach Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg oder ins Ausland abwandern. Für immer. Bis auf ganz wenige Ausnahmen galt: Wer ging, kam nie wieder zurück.

Der Aderlass an geistiger Kapazität, den dieses Land erleiden muss, ist nicht nur schlimm. Er ist existenzgefährdend.

Die Gründe sind ebenso vielfältig wie verständlich: Es mangelt einerseits an Zukunftsperspektiven sowie an guten und gut bezahlten Jobs. Wer an einer TU oder WU studiert hat, dem hilft es nichts, wenn hier der Tourismus gefördert wird. Andererseits sind die unendliche intellektuelle Leere und der geistige Stillstand tatsächlich zum Kotzen. Die nicht enden wollende Vereinnahmung des ganzen Landes durch eine gierige und machtbesessene Kaste an Politikern – gemeint sind Politiker jeder Couleur – für die Ihren tut ihr weiteres.

Die Politik erkennt nicht einmal die Tragödie, die hinter dieser Abwanderungswelle steckt. Landeshauptmann Gerhard Dörfler meinte etwa im Juli dazu:

„Da sieht man, wie tüchtig Kärntner sind, wenn sie Weltkonzerne leiten. Dass sie international tätig sind, das ist – wie soll ich sagen? Die österreichische Nationalmannschaft spielt so lange gut, wie sie Legionäre hat – was weiß ich – Prohaska in Italien, Krankl bei Barcelona und so weiter und so fort. Es ist doch positiv für den Standort Kärnten, dass es auch Kärntner gibt, die international im Bereich der Wirtschaft tätig sind.“

Übersetzt: Dörfler findet es gut, wenn möglichst viele gute Leute außer Landes tätig sind.

Bewusstsein oder gar Lösungskompetenz für die Probleme der Zukunft zu erwarten, ist – angesichts einer Landespolitik, die sich ausschließlich mit der Vergangenheit zu beschäftigen scheint – hoffnungslos.

Was ist von Leuten zu erwarten, die Millionen für Eigenwerbung ausgeben müssen, weil sie so uninteressant geworden sind, dass niemand freiwillig über sie berichtet? Wenn Kärntens Politiker Innovationskraft beweisen, dann mit der Einführung der kaufbaren Demokratie. Die ist hierzulande spätestens seit dem 1. März 2009 Realität. Angesichts der Menge an – auf Kosten der Allgemeinheit bezahlten – Inserate musste der Eindruck entstehen, dass lediglich Gerhard, Uwe und Harald überhaupt Arbeit für das Land leisteten.

Inserate, geschalten im LT-Wahlkampf 2009. Kleine Zeitung, 1.1. - 25.2.

Eine Mischung aus Ideenlosigkeit, Machthunger und Ausbeutung von Ressourcen der Allgemeinheit für sich selbst oder höchstens das eigene Klientel ist gefährlich, weil sie in einer Spirale aus geistiger Armut und wirtschaftlicher Stagnation nur einen Weg kennt: den nach unten.

Was darf man von Personen erwarten, die jahrzehntelang mutwillig Konflikte (Ortstafeln) schüren, nur um damit politisches Kleingeld waschen zu können? Den gelernten Kärntner wunderte es nur wenig, als Landtagspräsident Josef Lobnig in Zusammenhang von einer Nordkorea (!) verherrlichenden Fotoausstellungen im Landhaus die Freiheit der Kunst betonte, kurz darauf auf die Verleihung des Europäischen Bürgerpreiseses für die Konsensgruppe im Wappensaal des Landhauses untersagt.

Wenn der Politik alles zugetraut und die Hemmschwelle des Wunderns Tag für Tag nach unten nivelliert wird, hat die Zivilgesellschaft versagt. Widerstand? Der ist längst gebrochen.

„Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“, heißt es im Volksmund. Es hat einen Grund, dass in diesem Land alles Neue erst einmal als Bedrohung angesehen wird. Diese Angstkultur wird in Kärnten seit Jahrzehnten gehegt und gepflegt. Es soll nur ja keiner auf die Idee kommen, etwas Neues auszuprobieren. Verdächtig wird, wer sein Blickfeld über den Tellerrand hinaus ausdehnt.

Subtil macht ein Cocktail aus Technologiefeindlichkeit und bewusster Manipulation die Massen trunken. Zahlen und Statistiken, die ein angebliches Technologie- und Wirtschaftswunder beweisen und von der wahren Situation ablenken sollen, sind sehr schnell entzaubert.

Kärnten erstarrt zusehends zum Brauchtums-Museum mit täglichem Freibier für die eigene Clique. Es scheint, als könne nichts diesen Trend aufhalten oder gar umkehren. In Wien leben bereits mehr Kärntner als Villach Einwohner hat. Warum wohl?

Statt Heimatherbste, Dirndln und Kärntner-Anzüge bis zum Exzess zu subventionieren, sollte jener Beton aus den Köpfen der Leute gekratzt werden, der jahrzehntelang in diese gegossen wurde. Statt Fahnen zu verschenken, Dauerreklame zu buchen oder mit Werbegeschenken um sich zu werfen, sollten Büchereien eingerichtet, Schulen adäquat ausgestattet oder Datenautobahnen verlegt werden.

Was fehlt, sind Signale einer dringend nötigen und tiefgreifenden Erneuerung des Landes. Es gibt niemanden, der ein größeres Bild, eine Vision, hätte, wohin dieses Kärnten steuern soll.

In diesem Land wird eine Kultur gepflegt, die gewaltige Chancen – wie sie etwa in der Zweisprachigkeit liegen würden -nicht nur nicht erkennt, sondern schon im Keim erstickt, weil sie Fremdes enthalten könnten. Es wird ein Klima geschürt, in dem selbst die liberalsten Menschen (dazu zähle ich mich) zu Intoleranz erzogen werden. Ja, ich gebe zu, hinter jeder Trägerin und jedem Träger eines Kärntenhemds einen BZÖler oder FPKler zu sehen.

Gut, dass ich es gerade noch rechtzeitig erkannt habe. Ich versuche, diese Vorurteile abzubauen.

Denjenigen, die kommen wollen, werden mit aller Gewalt daran gehindert. Ihnen werden Steine in den Weg gelegt, sie werden missachtet, an der Integration gehindert oder gar – dazu reicht der bloße Verdacht auf Straffälligkeit – in die Einöde auf die Saualm verbannt.

Niemand käme auf die Idee, schon Ausweisungen beim bloßen Korruptionsverdacht auszusprechen. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet in Gebieten mit dem geringsten Ausländeranteil diejenigen den größten Zulauf haben, die vor diesen warnen.

Meine Erwartungen? Null. Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken und es wäre hoch an der Zeit, die Köpfe auszutauschen.

Politiker wie Valentin Inzko oder Christoph Zernatto würden dieses Land wieder zum Blühen bringen. Die geistige Nahrung Intellektueller wie Peter Turrini oder Josef Winkler wäre ebenso dringend nötig wie das eine oder andere (häufiger ausgesprochene) mahnende Wort von Wirtschaftstreibenden wie Herbert Liaunig oder Monika Kircher-Kohl. Selbst einem Udo Jürgens müsste man nach der Lektüre seiner Interviews Gewicht geben.

Ich wage, zu behaupten, dass fast jeder andere Kärntner mit ein wenig Demut, Hausverstand und Ehrlichkeit besser wäre als die vielen Petzners, Tauschitze, Scheuchs, Dörflers, Dobernigs, Martinze, Holubs oder Kaisers, die dieses Land geradewegs in den Abgrund fahren und sogar nach der Klippe noch aufs Gaspedal drücken.

Alternativen wird es aber auch zur nächsten Wahl 2014 nicht geben. Mit brutalem Mitteleinsatz – freilich auf Kosten der Steuerzahler – werden Land und Leute weiterhin in Geiselhaft genommen. Die Politik wird so weiterhin sehr effizient dafür sorgen, dass mehr und mehr Denkende das Land (fluchtartig) verlassen.

Dieses Land hat wahrlich Besseres verdient. Zur Mittelmäßigkeit verdammt zu sein, ist in der derzeitigen Lage und bei den aktuellen Perspektiven noch ein Kompliment.

Ich sehe diesen Artikel als meinen Beitrag zum 10. Oktober an. Das ist mein Denkanstoß für Kärnten.

Und ja: Ich bleibe hier! Das ist eine (gefährliche) Drohung an alle, die ihre Macht in diesem Land gegen das Wohl seiner Bürger einsetzen.