Ist Microsoft übermütig?

Die Ankündigung von Google Sync am Montag entzückte und verwunderte mich. Fortan kann man alle seine GMails, Kontakte und Kalendereinträge der entsprechenden Google-Dienste am Handy synchronisieren. Kurz nach der Google-Meldung veröffentlichte Microsoft ein Statement, dass der Suchmaschinen-Marktführer das ActiveSync Protokoll lizenziert hat.

sync

Moment! Microsoft lizenziert eines seiner Key-Protokolle an seinen vermeintlich größten Konkurrenten?

Das wirft zwangsläufig eine Menge Fragen auf:

  • Google hat doch keine Microsoft-Server. Was machen die genau?
    Antwort: Vielfach wird (auch von mir) kritisiert, dass Googles Dienste immer nur Inseln wären, die nicht oder erst mit der Zeit miteinander kommunizieren könnten. Google verwendet keine Exchange-Server für Gmail, sondern nutzt Active Sync quasi als Verbindungsstück zwischen seinen eigenen, proprietären Protokollen und der mobilen Welt. Wie viel Google bezahlt hat, ist nicht bekannt.
  • Warum macht Microsoft so etwas?
    Antwort: Der Hauptgrund liegt wohl in der Verpflichtung aus dem EU-Verfahren, Serverprotokolle ohne Diskriminierung Dritter zu vernünftigen Kosten (billiger als selbst programmieren) zu lizenzieren. Außerdem könnte man sich dadurch höhere Einnahmen in der Zukunft erwarten.
  • Wer hat das noch lizenziert?
    Antwort: Eine ganze Menge von Unternehmen kann mit Exchange-Servern kommunizieren. Mobil sind das etwa Nokia, SonyEricsson, Palm oder Apple. Das Protokoll soll bereits an rund 500 Unternehmen lizenziert worden sein.
  • Kanibalisiert man damit nicht seinen Exchange-Server?
    Antwort: Und wie! Nun stellt sich die Frage, wozu jemand noch für einen teuren Exchange-Server oder -Account bezahlen soll, wenn man bei Google Ähnliches gratis bekommt. Die Qualität (Uptime, Zuverlässigkeit) von Gmail & Co. spricht dafür.
    Noch ist nicht alles zusammen gewachsen – aber das ist nur eine Frage der Zeit. Mit Outlook sync noch nicht alles und Aufgaben sowie Notizzettel (wer’s braucht) geht noch gar nicht.
    Am Samstag organisiere ich die IT der Firma eines Freundes neu – klar, dass ich ihm Google Apps empfehlen werde. Für Kleinunternehmen dürfte das nun die erste Wahl sein.
  • Microsoft macht 90 Prozent seines Umsatzes über Partner. Die werden wohl keine Freude damit haben, oder?
    Antwort: Kaum vorstellbar, aber was bleibt denen übrig? Die haben schon im Vorjahr rebelliert, als Microsofts Online-Services-Sparte damit begann, selbst Exchange- und Sharepoint-Hostings zu verkaufen – ein Geschäft, das bislang die Partner machten.
  • Wie sehr trifft das Windows Mobile-Sparte?
    Antwort: Brutal! Wenn die – kommende Woche in Barcelona vorgestellte – Version 6.5 von Windows Mobile und zukünftige Hardware nicht wirklich ein Schritt nach vorne sind, dann sehe ich schwarz dafür.
    Früher war die (zweifellos beste) Exchange-Verbindung noch ein Kaufargument für Windows Mobile. Heute kann das fast jedes Nokia – und bald wohl auch das T-Mobile G1.
  • Und die Mac-Business-Unit?
    Antwort: Deren wichtigstes Produkt ist Office. Ein Argument, dieses inferiore Produkt zu kaufen ist, dass Entourage die einzige Mac-Software ist, die mit Exchange kann. MacOSX 10.6 (Snow Leopard) wird Active Sync integriert haben und die Notwendigkeit fürs Mac-Office beseitigen.
    Und vielleicht wird iCal, das Adressbuch und Mail ja bald auch ohne Einschränkungen und Extra-Tools zu Google syncen.
  • Warum kann man Microsofts Hotmail/Windows Live Contacts/Calendar nicht so abgleichen?
    Antwort: Das weiß man wohl nur in Redmond. Eigentlich ist das eine unfaire Benachteiligung der eigenen Nutzern. Es könnte sein, dass jetzt mehr Hotmail-User zu Gmail wechseln. Dazu passend: Seit wenigen Tagen hat Gmail Hotmail auch umfangreiche Import-Funktionen für andere Mail-Anbieter (etwa Hotmail, GMX, Yahoo, AOL).

Der Schritt zur Offenlegung und Lizenzierung aller Server-Protokolle war nicht ganz freiwillig, aber vielleicht könnte er sich lohnen – die Welt geht weg von Software-Packerln und Client-Server-Lösungen hin in die Cloud.

Und in einem Unternehmen wie Microsoft geht zwangsläufig einmal der Erfolg der einen Business-Unit zu Lasten einer anderen. Welche BU trifft es als nächstes?

16 Kommentare
  1. Gerald Bäck
    Gerald Bäck sagte:

    >Kanibalisiert man damit nicht seinen Exchange-Server?

    Glaub ich ehrlich gesagt nicht. Ohne genaue Zahlen zu kennen, denke ich mal, dass der Exchange Server nur an Firmen verkauft. Und für die meisten Unternehmen ist EMail nach wie vor eine unternehmenskritische Anwendung, die man nicht an Dritte auslagert ohne entsprechende SLAs.

  2. Arvindji
    Arvindji sagte:

    nuevasync hat die gleiche synchronisation schon etwas früher angeboten. sehr praktisch das ganze. auch ich verwende den google calender gerne, aber ich kann mich einfach noch nicht ueberwinden, google auch alle meine konatkte rüberzuschieben. noch privater gehts ja nicht, alle freunde mit kontaktdaten. da bleib ich lieber bei Thunderbirdadressbuch und sync mir das mit einem anderen tool (verwende birdie sync) auf mein windows mobile phone.

  3. stefan2904
    stefan2904 sagte:

    Seit wenigen Tagen hat Hotmail auch umfangreiche Import-Funktionen für andere Mail-Anbieter

    ich würd mal behaupten dass die gmail hat, und nicht hotmail…

  4. Sebastian
    Sebastian sagte:

    Ich halte das für einen klugen Schritt von Microsoft. Exchange wird darunter kaum leiden, große Firmen, die hier den Großteil des Umsatzes ausmachen, werden nicht auf Google Apps setzen, die sind viel zu instabil.

    Für Windows Mobile an sich ist das aber eine relativ große Sache. Plötzlich sind ein paar Millionen Kalender von Google mit Windows Mobile synchronisierbar – das ist ein Argument für Windows Mobile und davon braucht Microsoft so viele wie möglich, um Windows Mobile irgendwie wieder interessant zu machen.

  5. Georg Holzer
    Georg Holzer sagte:

    @Stefan: Klar, hab da was beim Schreiben verwechselt. Schon korrigiert.

    @Sebastian: Bei Exchange wird für jeden Account an Microsoft bezahlt. Ich kenne einige kleine Firmen, die ein Exchange-Hosting nutzen (ich inklusive). Und Gmail ist keine schlechte Alternative. Jeder eigene Server ist öfter down als ein großes Cloud-Services.

  6. Oliver Lippert
    Oliver Lippert sagte:

    Ich würde dir stark davon Abraten
    1. Google Mail zu benutzen (Mails werden „Algorythmisch“ mitgelesen)
    2. Google Apps zu benutzen
    3. Außer der Unschlagbaren Suchmaschiene irgendwas von denen zu benutzen…

    Warum?

    Wie finanziert ein Unternehmen Server(riesige leistungsfähige und inzwischen allwissende dinger) ohne für die von den Servern ausgeführten Dienste Geld zu fordern…
    Was wird da wohl ausschlaggebend sein?

    DATEN. Ja es gibt Leute die damit leben können, aber Unternehmen…

    Außerdem kommen G-Mailserver nicht gut mit Greylisting klar…
    Eigene Erfahrung ehrlich!

  7. Dalmet
    Dalmet sagte:

    GMail und Adressbuch von OSX synct schon länger:
    http://arstechnica.com/apple/news/2008/05/10-5-3-brings-gmailaddress-book-sync-for-iphone-users.ars
    Ok, das geht nur eingeschränkt, aber da liegt’s auch daran, dass Google keine Felder für Vor-, Nachname usw. kennt

    Google Kalender und iCal syncen auch schon eine Weile:
    http://www.google.com/support/calendar/bin/answer.py?answer=99355&topic=13949

    GMail unterstützt IMAP, Apple Mail ebenso, auch da ist der Abgleich überhaupt kein Thema.

  8. Georg Holzer
    Georg Holzer sagte:

    @Oliver: Beim Greylisting geb ich dir recht, wenngleich ich nicht wirklich was damit anzufangen weiß.
    Aber sonst hab ich kein Problem. Microsoft und Yahoo machen das ja auch und demnach darf man Google nicht einmal zur Suche nutzen. Mir ist bewusst: Ich bekomme etwas und gebe dafür etwas. Das Ergebnis, sind Ads. Ads, die besser zu mir passen würden, wenn ich sie denn sehen könnte (Ad Blocker).

  9. Oliver Lippert
    Oliver Lippert sagte:

    Mit den Ads habe ich nicht mal das problem…
    Das „wir dürfen in ihre Mails schauen“ stört mich, auch wenn dort nur steht „in besonderen fällen“…

    Greylisting:
    Email kommt; Mailserver sgat „kenn ich nich“; Email kommt in 10 – n Minuten wieder; Mailserver sagt „komm rein“ WENN selbe IP und dns-auflösung von absender wie vor n Minuten; ab da white-list für n Tage.

    Spamschutz: 99%
    G-Mailschutz: 100%
    Warum?

    Googles Mailserver wechseln ihre ip bis zu 1mal pro Stunde (warum auch immer) unnd die Mail wird zwar anfangs alle 15min gesendet, aber leider nicht vom selben DNS-Absendenamen.

    (Kann sein das die Bezeichnung „DNS“ von mir nicht richtig gewählt ist, mit abkürzungen hab ichs nicht so 🙂 )

    Ja einerseits ist klar: wir können den „Gläsernen Menschen“ nicht verhindern, aber eventuell Firmengeheimnisse / wichtige Sachen dadurch zu Publizieren dass man G-Mail benutzt.. muss ja nicht unbedingt sein oder ?

    🙂 Ist aber ansichtssache…

    Aber in einem sind wir uns einig […]wenn ich sie denn sehen könnte (Ad Blocker).[…] << gute Sache dass.

  10. Thomas Kutschi
    Thomas Kutschi sagte:

    Dass damit der Exchange-Server kanibalisiert wird glaube ich nicht – hier sind die Einstiegskosten für kleine Unternehmen kaum leistbar. Je breiter Windows als Plattform aufgestellt sind desto besser für Microsoft. Sogar wenn die Mails bei Google landen.

    Übrigens halte ich das Argument „aber die bösen Googler lesen dann meine Mails nicht“ genau wie der Autor für recht schwach – was soll Google denn mit den hochsensiblen Daten einer Drei-Mann-Bude? Weltherrschaftspläne schauen anders aus. Vor allem wenn 100.000e Drei-Mann-Buden ihre Mails bei Google ablegen. Dem ist nur mehr mit statistischen Methoden beizukommen. Wenn ich dafür als Ausgleich einen hervorragenden Service bekomme …

  11. stefan2904
    stefan2904 sagte:

    Was verdient M$ noch groß daran, außer die Lizenz an Google? Wenn ich die Google Dienste über Exchange mit meinem iPhone synce kommt ja nicht mal ein M$ Client zum Einsatz…

  12. Sebastian
    Sebastian sagte:

    @stefan2904
    Exchange bleibt relevant für Unternehmen. Stell dir vor, ein Unternehmen muss zwischen Exchange und einer Exchange-ähnlichen Alternative entscheiden und die Exchange-Alternative wird von den Smartphones unterstützt, die das Top Management will, während Exchange nur auf hässlichen Windows Mobile-Geräten läuft. Microsoft hat einiges zu verlieren. 🙂

  13. stefan2904
    stefan2904 sagte:

    hmm ok, aber in einer welt in der die server von google kommen und die client von apple verdient m$ quasi nichts mehr (ich würd mal behaupten die lizenzkosten seitens google sind da verhältnismäßig eher gering, als wenn jeder kunde selber eine bräuchte), oder?

  14. Thomas Kutschi
    Thomas Kutschi sagte:

    Die kurzfristigen Lizenzkosten sind eine Sache. Langfristig das Ökosystem möglichst allumfassend zu haben ist wesentlich wertvoller. Lieber setze ich etwas gratis als De-Facto-Standard durch als das Feld zu verlieren. Wenn sich bei MS der Nutzer mal fragen muss ob das auch von der Hardware unterstützt wird geht das einzige Argument gegen z.B. MacOS, Linux & Co verloren.

  15. Billy
    Billy sagte:

    Nun, mittlerweile hat Hotmail aufgeholt. Mit Wave 5 wurde der Dienst ordentlich modernisiert. Microsoft wird sich vor den Fehlern der Vergangenheit hüten…

    Folgende Entscheidungshilfen:

    GoogleMail für alle, die bevorzugt Webmail nutzen und dies nicht nur als Lösung für unterwegs / an fremden Computern betrachten. Durch die IMAP Unterstützung kann man auch mit einfachen / billigen Smartphones auf Mails mit dem Client zugreifen – Active Sync geht natürlich auch.

    Hotmail für alle, die mit Outlook oder Windows Live Mail ihre Mails, Kontakte und Kalender organisieren, gutes Webmail suchen und nur hochwertige Smartphones (iOS, Windows Phone und Android) im Einsatz haben, welche Active Sync beherrschen bzw. eben sonst über den mobilen Browser zugreifen.

    Ich nutze derzeit (seit Einführung) Google Apps, also GMail mit eigener Domain und habe die positive Entwicklung hautnah erlebt. In den letzten Jahren hatte Hotmail, welches mit dem Admin Center auch die Möglichkeit bietet die eigene Domain zu nutzen, bei mir keine Chance, da weder POP3 noch eine Outlook-Integration wie bei Exchange möglich war und darüber hinaus eine Werbezeile an jede gesendete E-Mail gehängt wurde (wie bei GMX wenn man über Webmail sendet).

    Nachdem diese Probleme alle gelöst wurden, bleibt nur noch ein Wunsch offen: Outlook 2011 für Mac kompatibel machen, denn den Hotmail Connector gibt es bislang nur für Windows Outlook 2007/2010.

    Grund für meinen Wechsel sind hauptsächlich aufgrund der Outlook-Nutzung (jeder der dort ein IMAP Konto als Hauptkonto nutzt, wird es verstehen) und die Kombi mit SkyDrive und Mesh. Weiterhin bevorzuge ich lieber Ordner als Labels, wenn man auf herkömmliche (lokale) Mailsoftware setzt.

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