Web 2.0 für Journalisten

Es gibt Kollegen, die alles noch beim Alten wähnen. Die ihre Geschichten schreiben und sich keine Gedanken über die Zukunft ihrer Branche machen. Es gibt Kollegen, die nicht erkennen wollen, dass 2008 nicht 1980 ist. Dass die Medienwelt vor großen Umwälzungen steht, sollte jedem klar sein.

Zwar muss nicht jeder um seinen Job fürchten. Aber es schadet mit Sicherheit nicht, sich die neue Medien-Realität einmal näher anzusehen und zu versuchen, sie zu leben.

Diese Liste sollen sich insbesondere all jenen kritisch anschauen, die einmal als Journalist ihr karges Brot verdienen wollen. Viele Bewerber haben keine Praxis nachzuweisen. Noch viel schlimmer: Viele Publizistik-Studenten haben es gar nicht erst probiert. Alleine an der relativ kleinen Uni Klagenfurt gibt es aktuell 946 Publizisten und nur eine Handvoll Jobs, die auf sie warten. Wer wird da eher die Chance dazu bekommen: Jemand der in der Praxis noch nie was mit Medien zu tun hatte? Oder jemand, der sich schon ein kleines Publikum aufgebaut hat und weiß, worum es geht?

Zehn Dinge, die jeder Journalist machen/ausprobieren muss:

  1. Blogs lesen:
    Ich kann mich gut an die Unterhaltung mit einer Kollegin erinnern: „Ich hab mir das angeschaut: In Weblogs steht aber nur Mist. Da kann jeder, auch anonym, schreiben.“
    Stimmt, im Web kann jeder publizieren, Journalisten haben ihr Monopol verloren. Das Web ist voll von Meinungen zu jedem beliebigen Thema. Das meiste, das im Netz publiziert wird, ist allerdings kein Mist. Wer tut sich schon die Arbeit und den Aufwand an, kompletten Nonsens zu publizieren? Die Ignoranz gegenüber Blogs muss ein Ende haben!
    Und noch etwas: Es gibt viel mehr Blogger als Journalisten. Die sind zwangsläufig bei viel mehr Ereignissen dabei als Reporter oder Nachrichten-Agenturen.
    Was schadet es, sich in dieses schier unendlich große Spektrum hinein zu versetzen? Jeder Medienmensch sollte zumindest eine Handvoll Blogs aus seinem Ressort ausfindig machen, kritisch deren Autorität bewerten und diese regelmäßig lesen.
  2. Selbst bloggen:
    Es ist einfach, andere alles machen zu lassen. Ein Journalist braucht sich weder um Vertrieb noch um Produktion oder Marketing zu bemühen. Er braucht sich nicht einmal Gedanken darüber zu machen, ob sein Geschreibe auch interessant ist. Kein Journalist ist dafür verantwortlich, auch einmal auf seine „Quote“ zu schauen.
    Dabei ist es spannend, wenn man sich bemüht, eine kleine Leserschaft „zusammen zu tragen“. Ich schau beinahe täglich auf die Zahl meiner Feed-Abonnenten. Wenn es einen Ausschlag nach oben oder unten gibt, freut mich das oder ich stell mir die Frage nach dem „Warum?“.
    Außerdem lernt man mit dem Bloggen, auf Feedback der Leser einzugehen. In einer Redaktion muss es „nur“ den Chefs gefallen. Feedback vom Konsumenten/Leser gibt es in Massenmedien nur sehr selten.
    Meine anfängliche Motivation war: Ich konnte schreiben, worüber ich will und das ohne Platzbeschränkungen.
  3. Podcasten:
    Nur Texte zu verfassen, wird in der Zukunft nur für wenige, begnadete Schreiber reichen. Der Medienkonsum von morgen verlangt auch nach anderen Medienformen. Wer da mit Audio und Video umgehen kann, hat einen gewaltigen Vorsprung.
  4. Twitter/Jaiku:
    Was hat Microblogging mit Journalismus zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Allerdings hilft die Beschäftigung damit, ganz neue Medienformen zu entdecken. Gerade junge Zielgruppen laufen den Medien als Kunden davon. Was schadet es daher, sich einmal mit schnellen Kommunikationskanälen und deren Sprache zu beschäftigen?
    Und: Was könnte besser sein, als eine große Twitter-Gefolgschaft, die man im Falle des Falles schnell befragen kann?
  5. Auseinandersetzung mit Copyright:
    Nicht viele Journalisten haben sich Gedanken um Lizenzen gemacht. Ein Foto ist im Archiv, also wird es genommen.
    Was passiert, wenn jemand meinen Artikel auf einer Website postet? Schadet oder hilft mir das bei der Bildung „meiner Marke“?
    Auch die Beschäftigung mit Lizenzmodellen wie CreativeCommons wäre wichtig für die Medienzukunft. Was tun, wenn man ein Bild sucht und im ach so bequemen Archiv nichts findet? Bei Flickr vorbeischauen und überlegen, was man da verwenden darf. Allerdings darf das kein Selbstbedienungsladen sein. Wer nimmt, muss auch geben!
  6. Ein Netzwerk spinnen:
    Neben einer gut geführten Outlook-Kontaktdatei eigenen sich Social Networks wie Xing, Facebook oder StudiVZ perfekt dafür, sein Netzwerk zu spinnen. Man muss es nur probiert haben.
  7. RSS lesen:
    Es ist unglaublich, aber wahr: In so mancher Redaktion wissen über 90 Prozent nicht, was RSS ist. Dabei lebt gerade dieser Beruf davon, viel zu lesen und ständig am Puls der Zeit zu bleiben.
    Ein Tipp: Man kann auch Suchergebnisse auf Technorati oder Google Blogsearch abonnieren. Wetten, dass dabei manchmal die Idee für tolle Story zu Tage kommt?!?
  8. del.icio.us ausprobieren:
    Wie oft kommt es vor, dass man auf eine interessante Quelle stößt und diese in Nullkommanichts wieder verliert? Außerdem ist die Suche bei Social Bookmarking-Sites qualitativ oft viel besser als einfaches Googeln.
  9. Bei Upcoming & Co. vorbeischauen:
    Was gäbe es besseres für einen Politik-Journalisten, sich einmal mit politisch interessierten Menschen/Lesern zusammen zu setzen? Das kann für beide Seiten befruchtend sein und eine Feedback-Schleife in Gang setzen. Also: Hin und wieder einmal Event-Datenbanken nutzen!
  10. Einen Wikipedia-Eintrag schreiben:
    Wer weiß, wie einfach eine Seite bearbeitet werden kann, der wird nicht mehr so schnell alles unkritisch zur Kenntnis nehmen. Nicht, dass ich meine, vieles sei auf Wikipedia falsch. Im Gegenteil, aber man muss immer alles doppelt und dreifach hinterfragen. Macht das Sinn? Habe ich dafür noch eine andere Bestätigung?

Klar gibt es auch noch viele andere Kompetenzen, die ein guter/angehender Journalist mitbringen muss. Aber das Web 2.0 mit all seinen Möglichkeiten als Spielwiese und Experimentierfeld zu nutzen, liegt nahe.

Es gibt mehr Wege, Information und Unterhaltung zu verbreiten, als mit Hilfe toter Bäume oder Radiowellen! Gerade in dieser schnellen Branche muss man stets offen sein für Neues! Und wer nicht neugierig ist, ist sowieso im falschen Beruf.

6 Kommentare
  1. venkman
    venkman sagte:

    Tatsache ist auch, dass Zeitungen wie die Kleine oder die Kärnter Woche (gut die ist 100% werbefinanziert) von dem übermäßigen Angebot an StudentInnen wissen und sich darum nicht unbedingt zu bemühen scheinen, gut bezahlte Jobs zu bieten, was meines Erachtens stark auf die Qualität geht. Ich weiß nicht wie du das siehst, aber ich glaube nicht, dass man einerseits für die meisten Artikel die man schreibt eine akademische Ausbildung benötigt und andererseits eine entsprechende Entlohnung als Akademiker in Kärnten bekommt. Deswegen sind von den über 900 PuK Studierenden viele an anderen Berufssparten interessiert, natürlich wussten wohl auch viele nicht, was sie denn so überhaupt studieren sollten, aber das ist eine andere Geschichte 😉

  2. Christopher
    Christopher sagte:

    Hi Georg,

    „Bei Upcoming & Co. vorbeischauen“, wenn du upcoming.yahoo.com meinst wär das wichtigste Events bei upcoming.yahoo.com überhaupt einzutragen, weil was zZ für Kärnten gelistet ist kann ja nicht alles sein.
    In San Francisco fand ich dank upcoming immer was passendes, hier erfahre ich eher im nach hinein was passiert ist.

    Grüße,
    Christopher

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