Zu weich, zu wenig weich und weich
Heute war kein guter Tag für Bill Gates. Die 497 Millionen Euro Strafe der EU werden ihm wohl weniger schmerzen, als der Imageschaden, den sein Unternehmen heute erlitten hat und die Sanktionen, die vielleicht noch im Raum stehen. Und auch für die EU war der heutige Tag kein Ruhmesblatt. Aber der Reihe nach.
Das EU-Verfahren begann vor 14 Jahren: Schon 1993 klagte Novell, dass Microsoft seine monopolartige Stellung ausnütze, um Konkurrenten zu vertreiben. 1998, als das Antitrust-Verfahren in den USA am Höhepunkt war, schloss sich dem Sun Microsystems an und einige weitere Konkurrenten an. Real Networks hatte etwa etwas gegen das Bundeling vom Windows Media Player mit Windows XP. Die lange Reihe derer, die in Brüssel ihr Leid mit Bill Gates klagten, hörte bei im Vorjahr bei Adobe auf. Die Softwareschmiede aus San Jose verhinderte, dass Office 2007-Programme auch PDF-Dateien schreiben konnten.
2004 verdonnerte die EU-Kommission dann Microsoft zur besagte Strafe von 497 Millionen Euro und machte zwei Auflagen:
- Die Redmonder müssten auch eine Windows-Version ohne Mediaplayer anbieten.
- Außerdem müssen sie all ihre Schnittstellen auch der Konkurrenz zugänglich machen.
- Microsoft muss auf eigene Kosten mittels unabhängigen „Beratern“ den Fortschritt untersuchen lassen.
Gestern entschied der EU-GH im Wesentlichen nur, dass die EU 2004 recht hatte. Microsoft muss also die obigen Vorgaben erfüllen. Lediglich dem Einspruch Microsofts gegenüber dem der dritten Punkt gaben die Höchstrichter statt.
Soweit die Fakten, hier mein Senf dazu:
Beim Mediaplayer war die EU-Kommission schon 2004 wenig konsequent. Dass niemand ein Windows mit reduzierter Funktionalität zum gleichen Preis kaufen würde, müsste selbst dem dümmsten Eurokraten klar sein. Richtig wäre gewesen, nur noch die reduzierten „N-Versionen“ in Europa zuzulassen. Abgegangen wäre so keinem Konsumenten irgendetwas, schließlich ist – sorry, Microsoft – der Windows Media Player allem unterlegen, was es da draußen im Web gratis gibt. Und von der Media Center Edition hat man ohnehin nur homöopathische Dosen verkauft.
Bei den Servern und Schnittstellen ist die Sache einfach: Microsoft hat sich – ob es will oder nicht – dem Spruch der EU zu beugen. Kostenlos müssen sie das aber nicht tun – das wäre Enteignung und das weiß auch Brüssel. Es muss Microsoft aber klar sein, dass es sich für die Konkurrenz betriebswirtschaftlich rechnen muss, Technik zu lizenzieren. Hierfür einen fairen Preis zu finden, wird nicht einfach.
Die zuständige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat sich heute aber auch nicht mit Ruhm bekleckert. Kommt es nur mir so vor, oder ist die Kommission derzeit am Publicity-Trip? Das mit dem Handy-Roaming etwa war so eine halbe Sache, die nur Bürokraten ohne Netzkontakt einfallen hätte können (Sprache regeln, aber alles andere vergessen).
„Ein Marktniveau von viel weniger als 95 Prozent wäre eine Möglichkeit, den Erfolg zu messen“, sagte Kroes heute laut APA. Es sei nicht wichtig dass es „genau 50 Prozent“ seien, die Kommission erwarte aber „eine deutliche Reduktion des Marktanteils“, sagte die oberste Wettbewerbshüterin der EU. Bis wann das umgesetzt sein müsse, sagte sie nicht: „Je früher, desto besser“. Und außerdem: „Microsoft müsse sich ändern“.
Abgesehen davon, dass das auf absehbare Zeit unrealistisch ist, meine ich, dass sich Microsoft bereits geändert hat. Ohne sämtliche Schweinereien aufzuzählen, die bis zu den Antitrust-Verfahren gelaufen sind – in den letzten Jahren hat sich das Unternehmen gewandelt.
Wer erinnert sich noch an die Reaktion aus Redmond, als sich Google im Juli über die Dateisuche in Vista beklagte? Man entschuldigte sich umgehend und kündigte an, das im Servicepack 1 zu reparieren. Wer hätte das noch vor ein paar Jahren gedacht? Oder die fast kleinlauten Worte heute von Chef-Justiziar Brad Smith? Der hat sich fast persönlich dafür entschuldigt und in jedem zweiten Satz Besserung gelobt. Sicher: Ich möchte mit ihm nie verhandeln müssen und Microsoft ist sicher auch nicht zum Zentrum des Guten mutiert. Aber zumindest die öffentliche Wortwahl und Reaktionen sind nicht mehr das, was sie einmal waren, als Bill Gates noch alle Zügel in der Hand hatte.
Genau: Fing die Besserung nicht zeitgleich an, als Bill Gates die Tagesgeschäfte abgab?
Danke für die erläuternde Zusammenfassung. Aber was wird sich für den „normalen“ Vista-Kunden ändern bzw. sollen Unentschlossene noch zuwarten und wenn ja, wie lange?
Schöne Grüße aus Wien