Bubble 2.0: Keine Tragödie
Wenn ich mit Kollegen über das Internet spreche, kommt vielfach das Wort Bubble und Erinnerungen an das Jahr 2000 auf. Viele haben noch im Hinterkopf, wie damals die Internet-Träumer vieler zerplatzten wie eine Seifenblase. Sie sind damit in guter Gesellschaft, denn auch Bill Gates sieht schon dunkle Wolken herauf dämmern, wenn er in einem Interview meint, dass „we’re back kind of in Internet-bubble era“.
Aber seit der Jahrtausendwende hat sich viel getan. Im Silicon Valley sprießen die Web-Startups aus dem Boden wie in Europa nur die Schwammerln im Wald. Auch wenn die 1,6 Milliarden Dollar, die Google für die Videoplattform Youtube bezahlte, so machen wach rüttelten, eine Blase 2.0 kommt nicht bzw. wird nicht die dramatischen Auswirkungen haben, wie die erste Version.
Viele Medien malen schwarz. Aber warum sind die Ängste nicht berechtigt?
- Mehr Vorsicht:
Die Investoren sind vorsichtig geworden, schließlich haben sie schon einmal sehr viel Geld verloren. Die Anzeichen sind heute jedoch anders, denn Venture Capital kommt heute zu einer viel späteren Phasen im Leben eines Web-Startups. Geld verlieren anfangs nur die Gründer selbst. Erst wenn sich wirkliches Potential auftut, kommt das Geld. - Die Geschäftsmodelle sind da:
Es wird heute tatsächlich Geld verdient – vom puren Kapital-Verbrennen ist keine Rede mehr. 1999/2000 stand lediglich das künftig mögliche Potential im Vordergrund. Heute zählen nur mehr echte Zahlen. - Werbemarkt boomt:
Dank Google haben Werbetreibende und Content-Anbieter echte Werkzeuge zur Verügung. Und es wird noch besser, denn es gibt bald echte Konkurrenz. Zwar ist jetzt auch schon Yahoo! am Markt, wirklicher Wettbewerb kommt aber erst, wenn Microsoft sein Ad-Service bringt.
Das Wachstum im Werbemarkt ist enorm und bietet noch genug Potenzial nach oben. Angesichts des explodierenden Werbemarktes sind höhere KGVs (Kurs-Gewinn-Verhältnisse) von Google oder Yahoo gerechtfertigt. - Schnelle, billige Entwicklung:
Heute gibt es im Gegensatz zur Jahrtausendwende Werkzeuge zur schnellen Entwicklung von Web-Diensten. Dank dem Open-Source-Phänomen und Frameworks wie „Ruby on Rails“ ist die Entwicklung schnell und einfach möglich. Und offene APIs von Webservices wie Flickr oder Google Maps machen die Sache fast so einfach wie Lego.
Dank Creative Commons muss man auch nicht mehr Unsummen für Content (etwa kleine Bilder) ausgeben. - Rich-Web-Applications:
Dank neuer Programmiertechniken wie Ajax ist eine ganz neue User Experience möglich. Die Anwendungen reagieren fast so schnell wie am Desktop installierte Programme. - Die Nutzer sind im Netz:
Heute ist die Internet-Penetration weit höher als noch vor fünf oder sechs Jahren. Dazu kommt, dass dank immer schnelleren Web-Zugängen auch neue Nutzungsszenarien möglich sind. Video-Sites wie Youtube wären wohl auch damals möglich, nur wäre deren Nutzerbasis sehr, sehr dünn gewesen. - Neue Liefermethoden:
RSS ist die wohl größte Entwicklung seit der Erfindung des WWW. Das Web macht durch den cleveren Abo-Mechanismus gerade einen Paradigmen-Wechsel durch. Von browse über search hin zu subscribe. - Das Web wird mobil:
Keine Angst, die Mobilfunker haben gelernt. So viel wie sie etwa in Deutschland oder Großbritannien pro Nutzer für UMTS-Frequenzen ausgegeben haben, werden sie wohl nie wieder in die Hand nehmen. Aber nun hebt die Technik endlich ab und macht den Web-Zugang omnipräsent. Das ist gerade in Österreich der Fall, wo es laut den Anbietern weltweit die höchste mobile Breitband-Penetarion geben soll.
Und das Web 2.0 setzt auch zum Sprung aufs Handy an. CSS und andere Techniken helfen hier kräftig, neue Nutzungsszenarien für bestehende Investitionen in Content-Managemen-Systeme zu finden.
Und noch etwas: Das Web zieht in immer mehr andere Geräte ein – etwa in Consumer Electronics. Es ist abzusehen, dass in Zukunft jede Stereoanlage und sogar Küchenradios weltweit vernetzt sein werden. Wichtig dafür ist jedoch das Vorantreiben der Entwicklung von IPv6, das weit mehr Internet-Adressen möglich macht. - Milennium-Bug:
Eines wird in der Diskussion um eine mögliche neue Blase immer wieder übersehen. 1999/2000 war der IT-Markt durch den „bevorstehenden“ Millennium-Bug hoffnungslos überhitzt. Es wurden kaum Leute gefunden und so mussten horrende Gagen bezahlt werden. Auch Hardware war viel teurer und OpenSource-Software (wie Apache, MySQL etc.) noch nicht so leistungsfähig. - User machen ihre Inhalte selbst:
Das Mitmach-Web macht mehr Spaß als sich nur berieseln zu lassen. Heute gibt es Mechanismen, mit denen jeder publizieren kann. Das führt zu einer Explosion von Content, die wiederrum mehr Nutzer anzieht und so für Netzwerk-Effekte sorgt.
Wer kennt weitere Gründe, warum es zu keiner zweiten großen Blase kommt? Oder täusche ich mich?
Also dass die HW „früher“ teurer war, glaub ich so nicht. Qualität und Leistung kosten heute immer noch. Aber Webspace bzw. Hosting – Dinge, die man für Web 2.0 Apps braucht – bekommt man heutzutage billiger, da stimme ich Dir zu.
Ich sehe das Web 2.0 etwas skeptischer als Du. Wenn man sich einmal aus dieser Traube/Blase/Dunstschicht der Technik-Freaks und Interessierten entfernt, trifft man auf die breite Masse der User. Und die sind froh, dass sie mit dem Internet Explorer „im Internet“ surfen und der Verwandschaft eine Einladung als Word-Dokument schicken können. Wer Verwandschaft im Ausland hat, kann auch noch mit Skype telefonieren, das wars aber auch schon.
Kommunikation via IM, del.icio.us, flickr, RSS, Feed-Reader, Plazer, last.fm und wie sie alle heißen sagt einem Großteil der Online-Population noch immer nix.
Und solange diese User der Meinung sind, dass ihre E-Mail Adresse in .aon enden muss, weil sie als Provider die TA haben, solange werden sie auch nicht die tollen Web 2.0 Anwendungen wie Gmail und Co. kennen lernen.
Aber vielleicht sehe ich das auch etwas zu pessimistisch und die Wahrheit liegt irgendwo zwischen unseren Standpunkten. 😉
Wir gehen ganz schnell Richtung „Massen-Web 2.0“ (dämlicher Begriff, ich weiß). Das letzte Indiz: Ich war heute an der Uni und hab da das Publikum eines Hörsaals gefragt. Gebloggt hat niemand, RSS haben 1-2 Leute gekannt, aber Youtube kannten alle.
Ich hab mich wie ein Nackerter gefreut, dass mir danach einer gesagt hat, dass er schon Videos raufgestellt wird. Die Dinge kommen, sie wachsen nur zu langsam zusammen.
Apropos RSS: Ich habe heute schätzungsweise 40 Studenten in neue RSS-Fans verwandelt. Man muss den Leuten nur einmal zeigen, was es alles kann und sie tun es!
Ad Hardware: Die wurde enorm billiger! Nicht im absoluten Preis, sondern Leistung/Preis. Und die ist ja in Serveranwendungen wichtig.
11. Web 2.0 ist weit mehr als eine Technologie oder ein Business. In Wirklichkeit geht es um Demokratisierung.
So verrückt es klingen mag die Erfindung des Buchdruckes und die Weiterentwicklung zur Zeitung bis zum Broadcast hat unter bestimmten Umständen die demokratische Gesellschaft eingeschränkt. Der Medienmacher stellen eine Macht ohne Kontrolle dar. Web 2.0 dreht das Rad weiterer und kann diese Macht brechen. Menschen können wieder am „Lagerfeuer“ sitzen und sich gegenseitig Geschichten erzählen. Wenn es gute und wahre Geschichten sind, werden diese über Blogs, RSS, Wikis, Blogreader usw. weitererzählt und können so ein Millionenpublikum erreichen.
By the way: einer, wenn nicht der beste Artikel zu diesem Thema.