Cupertino hat auch Kopiermaschinen

Stefan hat gemeint, ich hätte schon lange nichts mehr gebloggt. Wie Recht er hat. Also hab ich mich hingesetzt und mir Gedanken über Apples Wordwide Developer Conference (WWDC) gemacht. Ein Event, bei dem die Mac-Gemeinde, zu der ich auch einmal gehörte, alle Ankündigungen ihres Vorpredigers (Steve Jobs) mit Jubel und minutenlangem Beifall aufnimmt. Was immer dort gesagt wird, es ist Opium für das (Mac-)Volk.

Irgendwie ist es aber verwunderlich: Apple ist doch eine Firma, die ganz brauchbare Produkte herstellt. Warum muss man dann so kindisch, ja sogar hysterisch, auf etwas wie Windows Vista reagieren? Man lässt keine Gelegenheit aus, zu behaupten, Microsoft würde bei Vista von Apples Mac OS X kopieren.

Gut, Microsoft hat schon öfters von Apple geklaut. Aber auch umgekehrt ist der Wissenstransfer nicht ohne …
Sehen wir uns doch einmal die Funktionen von Leopard an, die Apple anlässlich der WWDC vergangene Woche in San Francisco zeigte:

  1. Die Time Machine:
    Grundsätzlich eine gute Idee, meiner Meinung nach die beste „Innovation“ von Leopard. Aber was soll daran neu sein? Die Funktion gibt es seit 2003 im Windows Server (serverseitig heißt das „Volume Shaddow Copy“, am Client „Ältere Versionen“) und auch Shareware gibt’s dazu zuhauf.
  2. Apple-Mail:
    Now, here’s the news: Man kann nun „Briefpapier“ verwenden, um Mails zu schreiben. Und die Geschichte mit Notizen und To-Do-Listen – da hat man wohl mehr als kräftig von Outlook und Onenote kopiert. Hatte denn Steve Jobs nichts Wichtigeres anlässlich der Keynote zu berichten?
  3. iChat:
    Wow, nun haben endlich auch Mac-User Möglichkeiten, die jeder gebräuchliche Instant-Messaging-Client schon kann: animierte Buddy-Icons, unsichtbarer Status oder Video-Chat-Aufnahmen. Screensharing und Whitboards sind ebenfalls neu – die gab es allerdings schon unter Windows 98. Netmeeting nannte sich das Tool damals. Und das iChat-Theater sieht dem vor einem Jahr auf der WDC vorgestelltem Microsoft Max zum Verwechseln ähnlich.
  4. Spaces:
    Mit dieser Funktion kann man mehrere Schreibtische mit jeweils unterschiedlichen Programmen auf einem Computer anlegen. Wirklich praktisch, nur auch nicht neu. Seit Jahrzehnten kann das Linux – schon in der ersten Version einer grafischen Linux-Oberfläche war dieses Feature mit dabei. Seit wann gibt es virtuelle Desktops unter Windows? Windows NT hatte dieses Features schon seit 1994. Wirklich praktisch ist der Umgang damit aber erst seit es ein kleines Powertoy, den Virtual Desktop Manager, dafür gibt. Das erschient 2001.
  5. Spotlight:
    Bald kann man mit Spotlight nicht nur auf dem eigenen Rechner, sondern auch auf anderen Workstations oder Servern suchen. Gut, die Suchfunktion von MacOS X ist schon seit einiger Zeit auf dem Markt. Apple kann sich daher rühmen, das Ding als erster gehabt zu haben. Nur, dass Microsoft daran entwickelte und öffentlich darüber sprach, lange bevor MacOS X dieses Feature bekam …
  6. Dashboard:
    Nun kann man Widgets (kleine, praktische Probramme, die am Bildschirm verteilt werden) auch in einer zentralen Ablage – dem Dashboard – „parken“. Super, nur seit wann gibt es Widgets oder Gadgets und warum soll ausgerechnet das eines der tollen Features von Leopard sein, die Steve Jobs höchstpersönlich vorstellt? Ist es nicht so, dass Apple die Idee selbst geklaut hat? Konfabulator, das mittlerweile von Yahoo aufgekauft wurde, hatte das schon 2002. Wirklich neu ist dagegen, dass man die Widgets zwischen zwei Macs syncronisieren kann. Blöd, dass das nur über einen .mac-Account funktioniert. Die Kosten dafür: 99 Euro im Jahr. Mit einem simplen Webserver geht das scheinbar nicht – zu billig, kein Umsatz …
  7. iCal:
    Wird ja Zeit, dass Productivity Software von Apple endlich einen Innovationsschub bekommt. Mit CalDAV kann man Kalendereinträge im Web speichern. Outlook kann das seit 2001 die XP-Version auf den Markt kam.
  8. Behindertengerechter:
    Apple will, dass Menschen mit Behinderung sein kommendes Betriebssystem einfacher bedienen können. Dazu gehören ein synthetischer Stimmprozessor, der eine Entwicklung von Apple sein soll, aber nicht viel anderes klingt als der von XP und Vista.
  9. 64Bit:
    Wohooo! 64 Bit zog bereits im Vorjahr in Windows Server 2003 und Windows XP ein.
  10. Core Animation:
    Nicht schlecht, sieht nur verdammt nach dem aus, das Microsoft mit Vista vorhat und worüber schon seit zwei, drei Jahren öffentlich geredet wird: Avalon aus dem .net-Framework 3.0.
  11. BootCamp:
    Schon seit längerem ist bekannt dass Apple Boot Camp in Leopard integrieren wird. Wow. Bootloader am PC, die mehrere Betriebssysteme starten können, gibt schon seit Jahrzehnten.

Schlussbemerkung, für alle die gar nicht wissen, um was es hier geht: Leopard wird als nächstes Apple-Betriebssystem die Versionsnummer 10.5 tragen und 2007 – vermutlich nach Windows Vista – erscheinen.

3 Kommentare
  1. Christoph
    Christoph sagte:

    Hello Georg,

    Ich lese da ein bischen Enttäuschung heraus über das Fehlen von wirklich dicken News aus Cupertino. Kann ich verstehen. In Ihren Beobachtungen steckt sicher auch manch wahrer Kern. Ein paar Vergleiche finde ich allerdings etwas tendentiös und sie lassen mich sogar vermuten, dass Sie vielleicht manchmal das eigentlich Interessante übersehen haben könnten…?

    1. Das bestechende an Time Machine ist die Stringenz und Verständlichkeit der Bedienung. Die Windows Schattenkopien funktionieren auch ein bischen anders. Sie speichern eben NICHT die jeweils letzten Versionen, sondern stumpf nur das, was an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit vorlag. Das ist in der Praxis ein gewaltiger Unterschied.

    2.3.4. Da geb ich Ihnen recht. Sooo doll is das nun wirklich nicht. Im Falle von 4. fast peinlich, „Spaces“ überhaupt noch zu erwähnen.

    5. Da sind Sie wohl ein Opfer der MS- Ankündigungs- Masche, denn der Punkt geht klar an Apple: Die HABEN mit Spotlight eine schnelle Suchfunktion implementiert, während MS das „WinFS“- Filesystem, das insbesondere in Hinblck auf solche Suchfunktionen entwickelt wurde, kürzlich still und heimlich eingestampft hat. Vista wird also in diesem Punkt auf bekannter Hausmannskost aufsetzen müssen, denn Alternativen stehen scheinbar nicht zur Verfügung.

    Bei 6.und 7. kann ich Sie zum Teil durchaus verstehen.
    Aber Ihr Outlook- iCal Vergleich ist ein schönes Beispiel dafür, dass es eben nicht reicht, etwas nur „zu haben“. Es muß auch gut und verständlich umgesetzt werden. Komplexe Vorgänge in einfache, ansprechende Formen zu gießen, darin ist Apple Meister. iCal zeigt das exemplarisch. Und oft ist exakt letzteres der eigentliche Mehrwert.

    Natürlich ärgert dann der ständige Versuch, den eigenen .MAC Dienst irgendwie erstrebenswert zu machen. Ich halte diese Taktik sogar für riskant. Letztlich könnte nämlich das Gegenteil herauskommen: die an .Mac gebundenen Produkte werden zur Makulatur, obwohl sie vielleicht im Prinzip recht pfiffig sind. Wo sie´s mal NICHT versucht haben, wird prompt ein toller Erfolg draus: Beispiel „Postcasting“….

    9. Auch hier wieder: „Im Prinzip ja“. Doch nach Ihrer Sicht könnte man sogar OSX schon jetzt als „64bit System“ schönreden. Die Betonung liegt aber auf „vollständig“.
    In praxi ist nämlich auch 64Bit Windows eine einzige Baustelle! Leider ist nämlich der Funktionsumfang der 64bit- Versionen von Windows bisher nicht derselbe (völlig abgesehen von Treiberunterstützung usw.), so dass ein paar wesentliche MS- Technologien wie z.B. ASP.NET, auf denen MS selber intensiv aufbaut, mit 64bit Servern leider nicht laufen.

    10. Das Neue an CoreAnimation ist sicher nicht die Idee an sich (man denke nur an OpenGL).
    Ich halte CoreAnimation für eine schlichte Notwendigkeit und logische Konsequenz heutiger Hardware/Software- Umgebungen.
    Das „.Net Framework 3“ dabei gleich als „Original“ hinzustellen ist wohl doch etwas euphemistisch überhöht (zumal es davon tatsächlich bisher wieder nur die Ankündigung gibt!).

    11. Das ist nun grob irreführend, „Bootcamp“ einfach nur als Bootloader zu bezeichnen. Diesen gab es übrigens auch in MacOs schon seit Ewigkeiten. Aber das wissen Sie sicher auch. Mich würde übrigens brennend der Bootloader für den PC interessieren, mit dem ich OS-X/Intel auf meinem PC starten kann…

    In diesem Sinne schöne Grüße Ihr
    Christoph

  2. Georg Holzer
    Georg Holzer sagte:

    Interessanter Input. Aber:

    1. Das mag zwar stimmen, dass das im MacOS schöner aussieht, aber die zugrunde liegende Funktionalität ist nichts Neues. Das meinte ich damit.

    5. WinFS ist nicht gleichbedeutend mit der Desktop-Suche. Das war – und selbst Microsofties sagen das – eine teure Fehlinvestition. In einigen Jahren werden wir ohnehin nicht mehr auf ein FS angewiesen sein. Wir werden ohnehin die größte Zeit in Web-Applikationen arbeiten.
    Wie überhaupt das OS – meines Erachtens nach – eine immer untergeordnetere Rolle spielt. Ich mein, wir arbeiten doch 95% unserer Zeit in Applikationen. Sei es nun Word, InDesign, Photoshop oder was auch immer.
    Ein Grund für dieses Post liegt daran, dass gerade MacOS-User derart fanatisch sind, wenn es um ihr OS geht. Dieser Fanatismus ist fehl am Platz. Wie überhaupt Mac-User mehr als unkritisch sind, was ihren Herrn und Gebieter Steve Jobs angeht.

    9. Stimmt. Da wurde wohl mehr auf Marketing gemacht. Aber dennoch: Where’s the big deal?

    10. Vom .net Framework gibt es seit fast zwei Jahren eine Beta und nun den Release Candiate 1. Die Entwicklerwerkzeuge dafür sind auch seit langem verfügbar.

    11. Gibt es. Zumindest habe ich das schon gesehen! Und MacOS auf normalen Intel-PCs klappt ja auch. Hab’s sogar selbst schon ausprobiert. Lief fast ohne Probleme auf meinem Thinkpad. Und weil unter MacOS ein Unix steckt, warum soll es keinen Boot-Loader dafür geben?

    Aber ich glaube ja, dass Steve Jobs eine ganz andere Strategie fährt bzw. fahren wird müssen. Wenn Redmond endlich Vista am Markt hat, dann wird man die Unterschiede zwischen den Betriebssystemen deutlicher sehen. Wie viele Programmierer hat Redmond und wie viele Cuptertino?

    Diese Frage bringt mich zur einzig möglichen Schlussfolgerung. Die hatte ich übrigens schon vor mehr als einem halben Jahr: MacOS wird irgendwann einen neuen Unterbau bekommen – den von Windows.
    Man lese und staune:
    https://georgholzer.at/blog/2005/11/10/macos-auf-meinem-ibm-thinkpad/

    Georg, der selbst jahrelang ein „Apple-Höriger“ war.

  3. David Maier
    David Maier sagte:

    Hallo Georg,

    Ich verstehe eure sorgen einfach nich, mit einem mac habt ihr alles was ihr braucht!
    Ein unglaublich durchdachtes und ein super schönes GUI.
    Hinzu kommt das dass System gegen viren unempfindlich ist und das es nahezu niemals abstürzt.

    Vielleicht sollte man auch mal darüber nachdenken das John Scally der Nachfolger von Steve Jobs, Microsoft das GUI versehntlich auf unbegrenzte Zeit lizensiert hat!
    Das heisst ohne ihn hätte Microsoft warscheinlich jetzt kein kongruenzfähiges OS.
    Und die USB und Fire Wire Technologien wären uns ohne Apple warscheinlich auch nicht in den PC gekommen.
    Weiterhin datf ich darauf hinweisen das es xerox niemals ohne Apple geschaft hätte die das User Interface der Maus durchzusetzen.

    Und was sich Microsoft in Sachen Quicktime mit Apple geliefert hat… darüber will ich gar nicht erst anfangen. Siehe den itunes Podcast „Die Quicktime Story“ von Mac TV!

    Deshalb bitte ich um ein bisschen mehr respekt gegenüber dieser Großartigen Firma und den Mitarbeitern sowie Steve Jobs.

    Mit freundlichen Grüßen,

    David Maier (Mitarbeiter im Bereich ENTWICKLUNG, Apple Inc.)

Kommentare sind deaktiviert.