Was macht Microsoft falsch?

 

Ich war heute in Graz bei den Microsoft Office Big Days und hab mich mit einigen Leuten über die Firma selbst unterhalten. Zu Hause angekommen hab ich mir versucht, noch einmal ein Bild zu machen. Wo liegt die Firma? Wie schaut die neue Landschaft aus?

Auf Yahoo Finance bin ich auf das obige Chart gestoßen. Es vergleicht die Börsenkurse von Microsoft und Apple über die letzten zwei Jahre. Schaut brutal aus, nicht?

Hier einige – ungeordnete – Gedanken zur Gates-Company:

  • Aus Redmond kommt nach wie vor gute Software. Ich hab mir heute Windows Vista und Office 2007 (Server und Client-Apps) zeigen lassen. Soviel schon vorweg: Man sich wirklich freuen was da kommt, mehr dazu am Wochenende.
  • Das Aufbrechen alter Strukturen ist nicht einfach. Microsoft auf die neue Zeit der Webservices zu trimmen wird gleich einfach werden, wie einen Öltanker im Panamakanal wenden zu lassen. Es gibt ein Sprichwort, das besagt, dass Software-Innovationen nicht mehr bedürfen als eine große Pizza. So viel Nahrung braucht ein Entwickler, der eine Nacht durchschreibt. Bei Microsoft geht es dagegen weit formaler zu. An wichtigen Projekten sind gleich 100 oder gar 1000 Programmierer gleichzeitig tätig.
  • Das Weboffice durch die Hintertüre: So sehr ich mich auf Office 2007 freue, so sehr frage ich mich auch, wie Microsoft sein Geschäftsmodell weiter verteidigen will. Nicht im Firmengeschäft – da wird es ob vieler Serverprodukte immer einen Platz haben. Aber im Privatkundengeschäft: Dort drohen einige Web-Offices (etwa Googles Writley, Google Calendar, Gmail & Co.) einzuschlagen. Gut, jetzt kann man sagen, dass Gates bei Privaten ohnehin nie wirklich viel verdient hat. Zu viele Nutzer haben deren Software einfach kopiert – aber im Büro wollten sie dann die gleichen Tools verwenden wie privat …
  • Es fehlt an Offenheit. Einer der wenigen, die den fundamentalen Wandel hin zum Web vollends verstanden hat, ist Ray Ozzie. Im Vorjahr kam der Erfinder von Lotus Notes (würg, sorry) und Groove als CTO (Technischer Leiter) nach Redmond. Man darf gespannt sein, was er an frischem Wind mitbringt. Das Einsperren von Daten in Silos und das Aufschütten von Inseln wird nicht reichen.
  • Die Produktzyklen sind zu lange. Gut, Vista wird bestimmt gut werden. Aber: Was hat daran bitte sechs Jahre gebraucht? Man braucht sich nur durch Blogs von Microsoft-Mitarbeitern zu lesen und man bekommt eine gewisse Frustration mit. Wie erklärt man denn dem Publikum, dass man jedes Jahr aufs Neue sagen muss: „Nächstes Jahr kommt das neue Windows.“? Der Nachfolger von Vista (Codename „Vienna“) wird wohl nicht so lange brauchen – angeblich soll es schon 2009 kommen.
  • Zu wenig Freigeist wird zugelassen: Bei Google hat jeder Mitarbeiter einen freien Tag pro Woche, an dem er neue Ideen entwickeln kann. Gmail und viele andere Dienste wären anders wohl nicht zustande gekommen.
  • Enorme Komplexität: Windows Vista wird rund 50 Millionen Codezeilen haben. Dass das nur schwer durchschaubar ist, liegt auf der Hand. Webservices kommen mit weit weniger Code aus. Ich schätze, dass Flickr auf „nur“ ein paar hunderttausend Zeilen kommt.
  • Während das Web zum scheinbaren Schlachtfeld geworden ist, hat die wahre Schlacht um den Desktop noch gar nicht begonnen. Man muss sich nur einmal anschauen, was Novell aus Linux macht und man kann sich vorstellen was da noch auf uns zukommt. Der „Novell Desktop“ hat vieles, was Windows auszeichnet. Noch ist lange nicht alles perfekt, aber das kommt schon noch. Und dann wäre da noch Apple … Die gewinnen einerseits stetig Marktanteile dazu, andererseits läuft MacOS nun auf Rechnern, die auch Windows drauf haben könnten.
  • Die nächste Welle: Die Programmierer in Redmond sind derzeit voll beschäftigt, ihr Kerngeschäft zu erledigen. Windows und Office steuern 80% des Konzernumsatzes bei. Die nächsten Versionen müssen gut sein. Ist das einmal erledigt, ist – meines Erachtens – die nächste Welle erst im Anmarsch. Wenn beide Produkte Ende 2006 fertig ist, werden extrem viele Ressourcen frei. Da kann einiges nachkommen.
  • Eigene Hardware: Zurück zu Apple. Microsoft ist in der Zwickmühle. Einerseits will man so schöne, tolle und gut abgestimmte PCs bauen wie Apple. Wenn man das jedoch tun würde, hat man die größten Partner gegen sich. Dell, HP oder Lenovo würden da wohl nicht einfach zusehen wollen.
    Wenn man in Redmond Hardware entwickelt, dann immer mit Partnern zusammen. Dass die oft eine ganz andere Sicht der Dinge haben, sieht man am Samsung Q1. Der „ultramobile PC“ wurde von vorne bis hinten verrissen, ist zu teuer und obendrein noch schlecht gemacht. Ob Microsoft es alleine besser kann, wird sich am „iPod-Killer“ zeigen. Wann der MP3-Player kommt, wie er aussieht und was er kann, steht allerdings noch in den Sternen.
  • Lizenzierung: Anstatt auf Kunden und Partner zu hören, wird die Lizenzierung immer komplizierter. Dazu kommen immer mehr SKUs: Alleine von Vista wird es über zehn verschiedene Packerln (von Home N über Home Pro, Professional bis hin zu Ultimate) geben. Wie viele Versionen hat hat MacOS? Wie viele Versionen braucht ein Mac-User? Eine.

There’s more to come … Bin nur schon müde.