Lizenzkampf mit Pseudo-Argumenten

Mit der Umstellung von analogem auf das digitale Fernsehen, wird viel Raum im teuren Frequenzspektrum frei. Weil die Fernsehbilder komprimiert und digital übertragen werden, braucht man nur noch einen Bruchteil der bislang nötigen Frequenzen zur Ausstrahlung von mehr Fernsehprogrammen als zuvor.

Digitale Dividende nennt sich dieser Gewinn. Warum? Weil wir viel mehr damit machen könnten als blos in die Glotze zu schauen. Andererseits könnte der Steuerzahler dieses Band Gewinn bringend verkaufen/versteigern. Und nicht zuletzt erwarten sich die Mobilfunker enorme Gewinne.

Das besagte Band (790 bis 862 MHz) eignet sich nämlich vorzüglich zur Versorgung großer Gegenden mit wenigen Sendestationen und geringer Störung (TV-Bilder kamen auch durch dicke Mauern durch).

Lobbyisten-Kämpfe

Weil es so attraktiv ist, toben derzeit brutale Kämpfe um dieses Spektrum. Auf der einen Seite steht die Rundfunkindustrie, auf der anderen die Mobilfunker. Beide präsentieren derzeit Studien mit oft zweifelhaften Ergebnissen oder versuchen in penetranter Häufigkeit ihre Pseudo-Argumente unters Volk zu bringen.

  • Der ORF sieht das TV-Bild wegen Überschneidungen der Spektren in Gefahr.
  • 36.000 Funk-Mikros wären mit einem Schlag kaputt und würden nicht mehr einwandfrei funktionieren, weil sie auch in diesem Bereich funken.
  • Die ORS könnte keine weiteren Sender mehr ausstrahlen, eine terrestrische Übertragung von HD-Fernsehen wäre nicht machbar.

Auf der anderen Seite steht die ebenfalls mächtige Mobilfunk-Lobby. Deren Meinungsorgan, das Forum Mobilkommunikation (FMK) füllte mir eben (obwohl ich eindeutig deponierte, keine Aussendungen mehr zu wollen) meine Mailbox. Deren „Argumente“ sind nicht nur an den Haaren herbei gezogen, sondern teilweise unrichtig.

Darin wird behauptet, dass der „Nutzen der Freigabe der TV-Frequenzen für Mobilfunk eindeutig“ sei. Auch wenn mir das nicht so eindeutig erscheint, meint man in der Aussendung arrogant optmistisch weiter: „Daher stellt sich nicht die Frage ob, sondern vielmehr wie bald die TV-Frequenzen für den Mobilfunk nutzbar werden?“ Damit ließen sich, „auch strukturschwache Regionen in Österreich mit schnellem mobilem Internet merklich beleben“.

Und weiter geht es mit einer Auflistung über den Nutzen, der laut FMK-Obmann Maximilian Maier „auf der Hand“ liege:

  1. Jährliche Mobilfunk-Investitionen in Österreich im 3-stelligen Millionen-Euro-Bereich
  2. Wachstumsförderung durch Entwicklung von neuen Anwendungen
  3. BIP-Anstieg um durchschnittlich 3 – 4% durch Produktivitäts-Revolution Breitband
  4. Erhalt und Schaffung neuer Arbeitsplätze zum Beispiel auch in Branchen wie Bauwirtschaft, Lieferanten und örtliches Gewerbe (weltweit 25 Mio. Arbeitsplätze)
  5. Weiterhin günstige Angebote für alle Kundinnen und Kunden.

Die Wahrheit schaut anders aus

  1. Konsumenten investieren in Österreich sogar einen MilliardenEuro-Betrag in drahtlose Kommunikationsgeräte (Wlan-Router, Mobiletelefone, Notebooks, Bluetooth-Empfänger, selbst Fernseher oder Spielkonsolen sind drahtlos vernetzt). Schade allerdings: Wie auch beim Mobilfunk gehen die Investitionen leider fast zur Gänze ins Ausland. Lediglich der Einzelhandel profitiert mit seinen Margen.
  2. Welche neuen Anwendungen brachte der Mobilfunk in den letzten Jahren heraus? MMS? Instant Messaging mit Abrechnung pro SMS? Die wirklichen Innovationen fanden im offenen Internet und nicht im abgeschotteten Mobilfunknetzen statt!
  3. Breitband: Wenn man Zahlen hinwirft, sollte man belegen können, woher die kommen. Und wenn man schon Breitband-Internet meint, sollte man dazu sagen, dass dieses hauptsächlich aus der Telefondose kommt.
  4. Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen passiert zum Glück nicht nur im Mobilfunk. Außerdem: Wie viele Jobs wurden in den letzten beiden Jahren in der Branche abgebaut? Von einer Freigabe des Spektrums würden wohl ungleich mehr Menschen/Firmen/Gewerbetreibende/Vereine Nutzen ziehen und Jobs erhalten.
  5. Wer sagt, dass die Angebote günstig sind? Wer sagt, dass es nicht noch günstiger bis fast kostenlos geht und dass nicht anders mehr Wertschöpfung im Inland passiert?

Der beste Weg: Freies Spektrum

Wer sagt, dass nur diese beiden Player (Rund- und Mobilfunk) ein Anrecht auf dieses Frequenzband haben? Wieso sollen die Frequenzen nicht diejenigen behalten, denen sie gehören? Richtig: Sie gehören schon jemanden: uns Bürgern.

Es gibt eine ganze Reihe von Frequenzen, deren Nutzung nichts kostet. Man spricht vom so genannten ISM-Band. Hierin funken Wlans, Bluetooth-Geräte, Schnurlos-Telefone, iPods, Funketiketten, Babyphone, Modellbau-Fernsteuerungen, Funk-Thermometer, Kopfhörer und vieles mehr.

Wie wäre es, wenn der Bürger seine 790 bis 862 MHz einfach behält? Der Nutzen für die Allgemeinheit wäre enorm!

  • Nicht nur Mobilfunkkonzerne können entlegene entlegene Landstriche versorgen. Wäre es nicht denkbar, dass auch kleinere Firmen/Genossenschaften/Kooperationen sich dieser Aufgabe annehmen können? Wieso sollte die mittelständische Wirtschaft von Telekom-Konzernen verdrängt werden?
  • Es wird entsprechendes Equipment geben, das in diesen Bändern funkt und nicht an eine Simkarte gebunden ist! Vielleicht nicht gleich aber es kommt mit der Nachfrage.
  • Apropos: Wer heute etwas hergibt, hat morgen nichts mehr davon. Wie lange wollen die Mobilfunker dieses Band? Sie werden sich bestimmt nicht auf Jahre darin breit machen, sondern es auf Jahrzehnte hinaus für ihre digitale Dividende nutzen wollen.

Der zweitbeste Weg: Sauteure Lizenz

Der Steuerzahler (bzw. deren Repräsentanten) schaut sich alles genau an, teilt die Bänder unter Rund- und Mobilfunkern auf und verlangt dafür entweder horrende Lizenzgebühren oder vergibt die Frequenzen im Rahmen eines Beauty-Contests.

Was spräche schließlich dagegen, wenn Mobilfunker

  • auf absehbare Zeit,
  • zu sehr geringen/kostendeckenden Entgelten,
  • auch an jeden anderen Betreiber nicht diskriminierend im Wholesale
  • völlig freies Internet (unter Wahrung der Netzneutralität) vertreiben drüfen?

Die Lobbyisten werden versuchen, genau das zu verhindern. Schließlich wollen sie das öffentliche Gut (sorry, Frequenzen gehören nicht euch) möglichst gewinnbringend nutzen. Zu verschenken haben sie nichts. Allein schon aus dieser Argumentation lässt sich schließen, dass es auch ohne die Großen geht und dass der volkswirtschaftliche Nutzen höher wäre.

Industriefreundliche RTR

Man stelle sich nur eines vor: Wir müssten Lizenen für Wlan oder Bluetooth bezahlen. Wenn es nach den Mobilfunkern geht, wäre kein Band der Welt frei und für jede Anwendung bräuchte man eine Simkarte. Ich erinnere mich noch an eine Diskussion bei der Mobilkom, wo man allen Ernstes überlegte, das eigene A1-Wlan nur mit Simkarte zugänglich zu machen.

Überhaupt ist der Umgang mit Funklizenzen zuletzt viel zu lax geworden. Nehmen WiMax als Beispiel. Hier wurden Lizenzen von der RTR zu – meiner Meinung nach – günstigen Konditionen vergeben. Als zwei der vier Betreiber (UPC und die Telekom Austria) keine Lust mehr hatten oder sich zuvor verrechnet haben, gaben die Frequenzen einfach wieder zurück. Konsequenzen hatten sie keine zu fürchten, die Strafen waren weit geringer als Kosten eines möglichen Wettbewerbers.

PS: Das kommt heraus, wenn man ein „unsubscribe“ nicht befolgt. Ich wollte ja diese Aussendung nie! Jetzt regt sie ich auf. Danke FMK!

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