Zur Relevanz bei Twitter

Die „Attention Economy“ zeigt im Twitter-Zeitalter immer gröbere Auswüchse. Mehr theoretische „Eyeballs“ bedeuten nicht gleich höhere Relevanz. Mehr Twitter-Follower ist nicht zwangsläufig besser. Das Reichweitendenken kommt von traditionellen Medien und hat im Social Media-Bereich eine weit geringere Bedeutung. Vielmehr kommt es auf die richten Augen und Ohren an.

Die Zahlen-Hascherei geht mir ebenso auf die Nerven wie die Zwangsbeglückung von irgendwelchen Empfehlungen (siehe auch Janas Blogeintrag und mein Kommentar dazu). Was bringt es mir, von Leuten wie diesen „gefollowed“ zu werden?

osen sxswtweets8 myprez10
allianz24at danrua twitter-screenshot

Gar nichts und den Followern noch weniger, weil sie – so sie überhaupt mitlesen – oft nicht einmal Deutsch verstehen. Also hab ich mir heute gedacht, ich blocke solche Super-Sammler ab jetzt einfach. Das kostete mir zwar 30 bis 40 Follower, dafür ist die Zahl meiner momentan 820 Twitter-Follower, ein klein wenig ehrlicher.

Es ist ohnehin schon so, dass nicht alle lesen, was man schreibt. Höchstens ein Viertel bis ein Drittel meiner Follower (bei optimistischer Sicht der Dinge) wird etwa das hier lesen.

Was zählt, ist Relevanz

Ich schau etwa jeden zweiten Tag auf meine Feedburner-Statistiken, freue mich über neue Follower bei Twitter und auch darüber, wenn das eine oder andere meiner Bilder auf Flickr die 100- oder 200-View-Marke durchbricht. Es ist mir wichtig, möglichst viele Nutzer ich erreichen kann. Wäre das nicht der Fall, würde ich meine Gedanken auf Post-its schreiben und danach wegwerfen. Twitter ist für mich ein guter Hebel, um die Verbreitung von Inhalten ein wenig anzutauchen.

Wann ist jemand relevant?

Wenn er seine Zielgruppe erreichen kann. Dank Longtail kann ein Bienenzüchter mit 20 Lesern relevanter sein als ein Tech-Schreiber wie ich mit heute 708 RSS-Abonnenten am Blog und 818 Twitter-Followern.

„In seiner Zielgruppe“ kann auch eine geografische Bedeutung haben. Ich bin wäre lieber im deutschen Sprachraum und noch lieber in Süd- und Westösterreich (wo ich auch für die Kleine Zeitung und TT schreibe) relevanter. Follower aus dem Silicon Valley, den Bahamas oder Fiji bringen mir null.

Letzte Woche sah ich einen Tweet von @d_wittenbrink, der die Frage stellte, ob er denn auf Deutsch oder Englisch twittern sollte.

d_wittenbrink

Ohne nachzudenken, schrieb ich zurück: „Mach’s auf Deutsch, dann bist du hier relevant und nicht irgendwo!“ Hätte aber auch sein können, dass er Twitter und Blogs zum Englisch-Lernen nutzen wollte.

Wer ständig auf Englisch twittert (Denglisch jetzt ausgenommen) oder bloggt, hat leicht mehr Follower, weil es eine universelle Sprache und somit auch hier verständlich ist. Allerdings verteilen sich die Leser auf die ganze Welt. Man ist überall ein bisschen relevant, aber nirgends wirklich. Solche Nutzer erreichen viele und gleichzeitig doch niemanden.

Wer deutsch schreibt, hat garantiert weniger Mitleser, allerdings sind die meist relevanter. Mehr ist nicht automatisch besser.

Welche Twitter-User sind in Ö relevant?

Schwer zu sagen, vermutlich müsste man die Frage ausdehnen: Welche österreichischen Twitter-User sind im deutschsprachigem Raum relevant? Ein Blick auf twittercharts.at kann nur bedingt eine Antwort geben. Hier meine – rein subjektive – Hitliste:

  1. Armin Wolf (twittercharts.at: 7)
  2. Reporter ohne Grenzen (14)
  3. Robert Misik (15)

Diese Liste basiert auf Follower-Zahlen von Twitter-Nutzern bei twittercharts.at, die größtenteils auf Deutsch zwitschern. Hab mir stichprobenartig bei der Nummer eins auch die Follower angeschaut. Weil diese zum überwiegenden Teil aus Übersee kommen, wird es wenig bringen, wenn @lookcook auf Deutsch seine Rezepte los wird …

Wem folge ich?
Fast jedem deutschsprachigem Nutzer, der mir folgt. Allerdings schaue ich immer, woher der Nutzer kommt und ob es ein krasses Missverhältnis von Followern zu Following gibt. Ich folge zudem den wenigen Kärntnern, auch wenn diese über Katzenfutter schreiben und ein paar US-Nutzern, die gute Inhalte schnell liefern.

Mit 810:820 ist das ein ganz ausgewogenes Verhältnis. Freilich kann ich nicht alles lesen, was alle anderen schreiben. Aber vielen zu folgen, hat ein paar entscheidende Vorteile: Man kann jederzeit (irgendwo beim Warten am iPhone oder Nebenher in der arbeit) reinschauen und findet immer Skurilles, Lesenswertes und Interessantes.

Was meint ihr?

20 Kommentare
  1. stefan2904
    stefan2904 sagte:

    Ich wurd mal meinen dass 800 Usern zu followen viel zu viel is. Da hät ich dauernd das Gefühl etwas zu verpassen, wobei die Wahrscheinlichkeit natürlich viel höher ist etwas zu verpassen wenn man 700 davon gar nicht erst folgt… Ich folg da lieber nur so 100 Usern und verlass mich drauf dass die wirklich interessanten Sachen trotzdem irgendwie zu mir durchdringen.. 😉

  2. Alexander Windbichler
    Alexander Windbichler sagte:

    Das Problem mit den Followern habe ich auch schon bemerkt. Viele Leute, die sich über jeden Follower freuen, followen dann aber auch solchen nicht sehr relevanten Personen(?), weil einige prinzipiell jedem followen, die einem selbst followen.
    Das ist dann sicher auch eine Masche von solchen Spamern, die dann dadurch Ihre Werbebotschaften verbreiten können.

  3. digiom (Jana)
    digiom (Jana) sagte:

    Das mit den Post-It Notes ist übrigens ein guter Vergleich, den hab ich vor zwei Wochen ebenfalls als Twitter-Analogie verwendet, nur eben mit der Annahme, dass die nicht fortgeworfen, sondern auf den Schreibtisch ö.ä. gepappt werden (und dann verschwinden unter denen, die neu rein kommen:)

    „Stell dir vor, 200 Menschen, die ganz ähnliche Interessen haben wie du, schreiben dir täglich Post-It Notes mit ihren alltäglichen Mikro-Erkenntnissen oder Mikro-Entdeckungen!“

    http://www.slideshare.net/anaj/twitter-was-ist-das-und-was-bringt-das

  4. Rick
    Rick sagte:

    *hüstel* zu Deinen subjektiven Top 3: darunter zwei linke Socken, die nur innert ihres Gesinnungskreises relevant sind (da aber eher mehr), und die Reporter ohne Grenzen, die bei 1480 Follower ganze 32 Tweets absetzten? Nunja.

    Meine völlig subjektive Liste der relevanten Austro-Twitter würde keine Leute enthalten mit politischer Schlagseite. Aber dafür Georg Holzer. *zwinker* Und vielleicht Martin Leyrer, Richtie Pettauer. Und natürlich Phettberg, weil keiner die österreichische Mieselsucht und Selbstbejammerung besser verkörpert als er… 😉

  5. alm
    alm sagte:

    gross modo passt diese analyse wohl. wir dürfen aber nicht so tun, als wäre mit twitter die kommunikation neu erfunden. das problem relevanz vs. reichweite bzw. auflage zieht sich doch durch die ganze mediengeschichte. und ja: mehr quantität führt auch zu mehr relevanter reichweite. wenn der streuverlust nix kostet, ist er auch wurscht. es verwendet auch nicht jeder twitter um sich selbst und seine gedanken zu propagieren sondern als one-to-many chat et al. und wirklich populäre twitteranten siehe z. b. trent reznor (http://twitter.com/trent_reznor) haben natürlich auch eine ganz überschaubare anzahl „following“.

  6. Andrea Mayer-Edoloeyi
    Andrea Mayer-Edoloeyi sagte:

    Den Post-It-Vergleich finde ich wirklich gut! Insofern ich meine, dass ich etwas zu sagen habe, freue ich mich natürlich über neue Follower – ausgenommen über sinnlose Spamfollower, die ich aber auch bis auf Ausnahmen nicht blocke. Jede/r muss wissen, was er/sie tut. Twitter ist sowieso öffentlich, da ist mir da völlig egal, die meisten verschwinden sowieso wieder von selbst.
    Ich habe aber auch aufgehört allen Leuten aus Linz zu folgen. Zwar ist mir der lokale/regionale Bezug auch wichtig, aber irgendwie muss da schon interessanter Content kommen …
    Wem ich folge ich sehr subjektiv, ich entfollowere auch schon mal, wenn mich jemand nervt. Ich möchte allerdings auch nicht mehr viel mehr Leuten folgen als jetzt (277), weil sich dann der sowieso schon vage Bezug zu den TwitterantInnen völlig auflöst. Da tausche ich liebe ein bisserl rum von Zeit zu Zeit: Wenn ich wieder entfollowed habe, kann ich auch wieder neue Leute entdecken. So ähnlich wie mit dem Kleiderkasten: Manches in die Caritas-Tonne, damit wieder Neues Platz hat.

  7. Robert Guschelbauer
    Robert Guschelbauer sagte:

    Wobei man auch sagen muss, dass wenn jemand für mich relevant ist ich sicher nicht gleichzeitig für ihn relevant sein muss.
    Wobei es mir manchesmal bei Twitter gefallen würde, wenn ich selbst über verschiedene „Kanäle“ twittern könnte, ohne einen zusätzlichen Account anzulegen. Kann ja durchaus sein dass manche meiner Tweeds für eine Gruppe relavant sind, andere Tweeds hingegen nicht weils andere Interessen behandeln.
    @georgholzer ist natürlich für viele österreichische Twitterer relevant 😉

  8. Gerald Bäck
    Gerald Bäck sagte:

    Es kommt eben immer darauf an, was man erreichen will, aber das gilt bei eigentlich jedem Medium. Es wird dabei immer ein gewisses Missverhältnis zwischen Quantität und Qualität geben. Allerdings sind gerade bei Twitter die „Kosten“ für mehr Reichweite relativ gering bzw. Null. Deswegen schadet es auch nicht mehr Follower zu haben, auch wenn diese nicht oder nicht immer aus dem gleichen Fachgebiet stammen. Ich persönlich folge ebenfalls fast jedem deutschsprachigen, der mir folgt und so lerne ich auch immer wieder neue Dinge kennen, die bei restriktiver Handhabung wohl nicht kennen würde.

  9. Ernst Sittinger
    Ernst Sittinger sagte:

    richtig ist, dass es nicht auf Masse ankommt, sondern auf Qualität. Ich meine aber neben der Qualität der Twitterer vor allem die Qualität der Inhalte. Daher: Ich schau bei jedem, dem ich folgen will, ob er Relevantes von sich gibt. Noch wichtiger: Ich bemühe mich, selbst nur zu twittern, wenn ich a) Relevates oder b)Kreatives/Unterhaltsames auf Lager habe. Früher nannte man das „Funkdisziplin“.

    Widersprechen würde ich daher, dass es eine „Balance“ zwischen Personen, denen ich folge, und meinen Followern geben muss. Als Journaliust hoffe ich, dass mir auf längere Sicht mehr Menschen folgen als umgekehrt…

  10. mrimage
    mrimage sagte:

    Das Follower/Following-Verhältnis auf Twitter ist meiner Meinung nach ein schwieriger Punkt, dazu gibt es zwei konträre Ansätze:
    1. Twitter als News-Filter: Man followt denjenigen, deren Tweets man gerne lesen würde und interessant findet.
    2. Twitter als Netzwerk mit virtuellen Freunden: Man möchte möglichst viele „Freundschaften“ haben und followt allen seinen Followern.

    Ansatz 1 führt dazu, dass manche Twitter-User viel mehr Follower haben als Fans (Fans = „Following“) und andere User tendenziell ein paar Follower weniger als Fans.
    Ansatz 2 führt natürlich zu einem ausgewogenen Verhältnis.

    Ein Beispiel für die erste Herangehensweise ist Armin Wolf, für zweitere Variante Robert Misik. Beide sind in meinen Augen gute Twitterer–und beide Ansätze sind meiner Meinung nach legitim.
    Ich vermute, Ansatz 1 war der ursprüngliche Gedanke hinter Twitter und finde es interessant, dass sich eher Ansatz 2 durchsetzt.

    Wie ich es mache? Ich followe interessanten Twitterern und freue mich, wenn mir jemand followt. Wenn ein neuer Follower hinzukommt, followe ich ihm ebenfalls (es sei denn er/sie hat viel weniger Fans als er/sie selbst followt, das sind fast immer Werbeaccounts). Unfollowen tu ich jene, die meinen Feed mit unnötigen Meldungen der „Guten Morgen allerseits“-Sorte anfüllen oder deren Meldungen für mich einfach nicht interessant genug sind.

  11. Georg Holzer
    Georg Holzer sagte:

    @Olidax: Wenn du auf der Twitter-Website die Liste deiner Follower ansiehst, dann steht neben jedem Namen „block“.

    @Ernst: Falsch! Dein Interesse muss sein, dass dir möglichst viele, interessante Leute folgen. Wie vielen du zurück followst, bleibt dir überlassen. Aber es gibt gute Methoden, wie man das filtert. In TweetDeck etwa kann man Gruppen machen.
    Der Rest aus vielen anderen, denen man folgt, macht viel von der Serendipity von Twitter aus.

  12. Christian Tawfik
    Christian Tawfik sagte:

    Die Frage der Relevanz habe ich mir auch schon oft gestellt. Vor allem zu Beginn einer Twitter oder Blog Karriere stellt sich diese Frage sehr häufig. Wenn ich nicht binnen 2 Wochen 100 Follower habe, dann bin ich nicht gut. Oder sowas in der Art.

    Ich trenne meine Follower und jene, denen ich folge, strikt. Mir gehts um Relevanz. Ich folge jenen, deren Posts Bedeutung für mich haben. Egal welche. Manche sind interessant, andere lustig, die dritten vielleicht einfach nur cool. Egal.

    Ob mich jemand für relevant hält und mir folgt liegt ganz bei ihm. Ich kanns nicht wirklich beeinflussen. Jetzt nur damit mir mehr Leute folgen einen gewissen Stil oder ein Thema besonders zu behandeln möchte ich nicht.

    Wenn das was ich Schreibe für jemanden Relevanz hat, dann ist es fein und freut mich. Wenn nicht, dann hatte wenigstens ich meinen Spaß.

  13. Christoph Bauer
    Christoph Bauer sagte:

    Interessantes Thema!

    Nun, zum ersten: Ich twittere viel auf Englisch und eher weniger Deutsch, zum einen um die Sprache mehr anzuwenden und mehr Informationen in die Tweets zu bekommen (höhere Informationsdichte bei Englisch..) und natürlich auch um internationalen Twitteren etwas zum anknüpfen zu geben. Das hat nicht viel mit „Followersammeln“ zu tun. Besonders wenn mein junges Berufsleben mich noch ins Ausland führen können sich solche „Kontakte“ auch mal auszahlen. Immerhin hab ich meinen jetzigen Praktikumsplatz auch per Twitter bekommen 😉

    Zu irrelevanten Followern: Ich sperre öfters Follower aus. Besonders diese Netzwerkmarketeers, die in ein paar Tagen Tausenden folgen nur um Reichweite zu gewinnen. Das ist für mich wie Spam, da hat jemand Twitter nicht verstanden…

    Warum ich über 500 Follower bzw. Followings habe(n kann):
    ….und trotzdem followe ich sehr oft bei allen möglichen neuen Followern zurück – sei es als kleines Danke für das Interesse, sei es weil ich deren Tweets sehr interessant fand. Dadurch dass ich mir eine kleine „Fokusgruppe“ von 30 Followings in Tweetdeck angelegt habe (du bist z.b. auch drin, Georg ;-)) verpasse ich nichts aus dem „näheren“ Kreis und kann auch mal „abschalten“. Kann es jedem nur empfehlen, so ist der Spagat zwischen großer Reichweite und relevantem Netzwerk einigermaßen zu meistern.

  14. Franz Miklautz
    Franz Miklautz sagte:

    ich finde deine twitter-einträge in letzter zeit spannender, weil es nicht mehr nur tech, sondern auch zb kac ist. deshalb geht es mir grundsätzlich um abwechslungsreiche einträge, jemand, der in einer find-mich-selbst-geil-attitüde immer nur links von anderen medien reinpostet, damit er sich selbst aufgrund „hey-ich-habs-als-erster-gewußt“ auf die schulter klopfen kann, geht mir voll auf den keks. je abwechslungsreicher, desto lieber les ich.

  15. datadirt
    datadirt sagte:

    Ich mag ja vor allem das gezielte verpassen. Und die Gruppen-Funktion von Tweetdeck, die auch große-Follower-Zahlen ziemlich manageable macht.

  16. David Wittenbrink
    David Wittenbrink sagte:

    Wegen deines tweets hab ich mich auch letzendlich dagegen entschieden. Natürlich würde ich damit mehr Follower bekommen, aber es ist auch ein gutes Gefühl, dass mindestens 80% meiner follower aus Österreich kommen und ich so manch einen schon getroffen habe.

  17. Wein_Spanien
    Wein_Spanien sagte:

    Hallo Herr Holzer,

    ich bin erst heute auf den Blog gestoßen. Mein Twitter Account besteht seit gestern und ich bin über das Thema follow friday > digiom sehr schnell auf Ihren Blog gekommen. Interessante Denkansätze für einen newcomer

    Grüße

Kommentare sind deaktiviert.